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Shantaram

Shantaram

Titel: Shantaram Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregory David Roberts
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Afghanen konnten seine Bemerkung unmöglich gehört haben, doch in diesem Moment drehten sie sich um und starrten uns mit so düsterer Miene an, als wollten sie seine Worte kommentieren. Einer ihrer Freunde beugte sich zu ihnen, sagte etwas und zeigte auf Didier und mich, worauf die beiden Afghanen mich fixierten.
    »Umgebracht…«, wiederholte Didier leise und lächelte noch strahlender, bis die beiden Männer uns wieder den Rücken zukehrten. »Ich würde mich weigern, mit denen Geschäfte zu machen – wenn es nur nicht so gute Geschäfte wären.«
    Er raunte, ohne die Lippen zu bewegen, wie ein Häftling in Anwesenheit der Wärter, was ich ziemlich komisch fand. In australischen Gefängnissen wird diese Flüstertechnik »Seitenschub« genannt. Die Erinnerung an diesen Ausdruck und Didiers Mimik versetzten mich schlagartig in die Zelle zurück. Ich roch das billige Desinfektionsmittel, hörte das metallische Zischen der Schlüssel, wenn die Türen verschlossen wurden, spürte die feuchten Steinwände an den Fingerspitzen. Jeder, der traumatische Erfahrungen gemacht hat – ehemalige Häftlinge, Polizisten, Soldaten, Krankenwagenfahrer, Feuerwehrleute –, ist anfällig für Flashbacks. Manchmal setzt das Flashback so unerwartet und heftig und unter derart unpassenden Umständen ein, dass die einzig heilsame Reaktion in einem albernen Lachanfall besteht.
    »Glaubst du, ich mache Witze?« Didier schnaubte empört.
    »Nein, nein, gar nicht.«
    »Es ist die Wahrheit, das kannst du mir glauben. Es hat eine Art Krieg um diesen Geschäftszweig gegeben. Und wo wir grade drüber reden – da drüben kommen die Sieger: Bairam und seine Männer. Er ist Iraner, ein Vollstrecker, der für Abdul Ghani im Einsatz ist. Und der wiederum arbeitet für einen der großen Gangsterbosse der Stadt, Abdel Khader Khan. Diese Truppe hat gesiegt und hat jetzt den Schwarzhandel mit Pässen in der Hand.«
    Er wies mit dem Kopf auf eine Gruppe junger Männer in modischen westlichen Jeans und Sakkos, die gerade hereingekommen waren. Sie gingen zum Inhaber des Leopold’s, begrüßten ihn freundlich und setzten sich dann an einen Tisch auf der anderen Seite des Raums. Der Anführer der Gruppe war ein großer, massiger Mann Anfang dreißig mit einem gutmütigen dicklichen Gesicht, der jetzt den Blick durch den Raum schweifen ließ und auf das respektvolle Nicken und das freundliche Lächeln von Bekannten an anderen Tischen reagierte. Als sein Blick auf uns fiel, winkte Didier ihm zu.
    »Blut«, raunte er, wieder mit dem strahlenden Lächeln auf dem Gesicht. »So viel Blut ist vergossen worden. Die Pässe sind förmlich gestempelt damit. Mir persönlich ist das mit den Nationalitäten egal. Was das Essen betrifft, bin ich Franzose, in der Liebe Italiener und in Geschäftssachen Schweizer. Schweizer durch und durch – absolut neutral. Aber diese Pässe werden weiterhin mit Blut befleckt sein, da bin ich mir sicher.«
    Er wandte sich mir zu und blinzelte, als wolle er mit seinem Wimpernschlag diese Vision vertreiben.
    »Ich muss betrunken sein«, sagte er erfreut. »Bestellen wir noch was.«
    »Lass dich nicht stören, aber ich setze eine Runde aus. Was kosten diese Pässe denn?«
    »Zwischen hundert und tausend – Dollar natürlich. Möchtest du einen kaufen?«
    »Nein …«
    »Ah. Das war das Nein eines Bombayer Goldhändlers. Es ist eines dieser Neins, das vielleicht bedeutet, und je leidenschaftlicher das Nein herauskommt, desto entschiedener ist das Vielleicht. Wenn du einen haben willst, sag einfach Bescheid, dann besorge ich dir einen – gegen eine kleine Provision natürlich.«
    »Machst du viele … Provisions geschäfte?«
    »Geht so. Ich kann nicht klagen«, antwortete er grinsend. Seine feucht glänzenden Augen waren rot unterlaufen vom Alkohol. »Ich fungiere als eine Art Vermittler und werde dann von beiden Seiten entlohnt. Gerade vorhin habe ich einen Deal eingefädelt – den Verkauf von zwei Kilo Haschisch aus Manali. Siehst du die italienischen Touristen da drüben beim Obst? Den Typen mit den langen blonden Haaren und das Mädchen in Rot? Die wollten was kaufen. Jemand hat sie zu mir geschickt – der steht übrigens da draußen auf der Straße, der Barfüßige mit dem schmuddeligen Hemd, der jetzt auf seine Provision wartet –, und ich hab die Italiener an Ajay vermittelt. Er handelt mit Haschisch und ist ein ausgezeichneter Krimineller. Siehst du, er sitzt jetzt bei ihnen, und alle lächeln. Das Geschäft ist perfekt. Damit

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