Shaolin - Das Geheimnis der inneren Staerke
Tempo wachsen: Jede Sekunde bilden sich Tausende von Gehirnzellen und Körperzellen. Irgendwann sind wir zu groß für den Mutterleib und müssen raus aus dieser Symbiose. Um auch nach der Geburt weiterwachsen zu können, und zwar körperlich wie geistig, müssen wir immer mehr unserer Verbundenheit (mit den Eltern und allem Vertrautem) aufgeben. Nur so können wir die Umgebung erkunden und die Welt entdecken.
Wie stark auch die Kernressource des Loslassens sein muss, wird deutlich, wenn wir an ein kleines Kind denken, das sich mutig ein paar Schritte von der Mutter entfernt und plötzlich vor einem Hund steht: Es erschrickt und weint und sucht sofort den Schutz der Mutter. Wir müssen viel Mut aufbringen und Ängste überwinden, wenn wir die Welt erobern wollen. Dafür ist die gleichzeitige Erfahrung der Verbundenheit so wichtig. Denn nur die Sicherheit eines geschützten Rahmens, in dem wir unsere Verbundenheit immer wieder aufnehmen können, lässt uns diese Ängste auf gesunde Weise überwinden.
Auch unser Gehirn muss diese wichtige Aufgabe meistern, den Spagat zwischen dem Geborgensein auf der einen Seite und dem Loslassenund Wachsenkönnen auf der anderen. Je besser es gelingt, beide Kernressourcen zusammenzuführen und das Paradox der beiden aufzulösen und sie in Balance zu bringen, umso lebensstärker und lebensfreudiger werden wir. Die Fachleute nennen das »resilient«. In dieser Quelle steckt die Wurzel aller schöpferischen Kraft, aller Kreativität und forschenden Neugier, kurz: der Selbstwirksamkeit. Jedes Individuum muss sich diesen Herausforderungen stellen, um zu wachsen und sich weiterzuentwickeln. Die folgende Übung unterstützt Sie dabei, ein Gegengift gegen die Störgefühle einzusetzen und eine positive Grundeinstellung zu sich selbst herzustellen.
ÜBUNG
Kernressourcen aktivieren
Mit dieser Meditationsübung können Sie das Gefühl der Verbundenheit und des Loslassens stärken. Sie ist eine Vorstufe der buddhistischen Metta-Meditation, die Sie auf ( > ) kennenlernen.
Wiederholen Sie jeden Morgen den folgenden Satz fünf Minuten lang immer wieder, wie ein Mantra (eine Art Formel, die mehrfach wiederholt wird, mit dem Ziel einer Bewusstseinsveränderung):
»Möge ich glücklich und verbunden sein.«
Zur Stärkung des Loslassens können Sie anschließend in gleicher Weise den Satz wiederholen:
»Möge ich furchtlos sein und loslassen können.«
Sie können auch einen Satz finden, der individuell zu Ihnen passt, etwa: »Möge ich geduldig sein und loslassen.«
Je häufiger wir diese Übung, genau in dieser Reihenfolge, wiederholen, umso konstanter programmieren wir unser Gehirn um – und wir werden unseres eigenen Glückes Schmied!
Das höchste der Gefühle:
Mitgefühl
In der Shaolin-Tradition wie überhaupt im Buddhismus gilt das Mitgefühl oder der Altruismus als höchster Wert und edelste Einstellung. Altruismus ist das Gegenteil von Egoismus und bedeutet unter anderem Wohlwollen und »liebende Güte« (»Metta«), aber auch Mitgefühl (»Karuna«). Es bedeutet auch, für andere da zu sein, zu geben und andere Wesen zu unterstützen. Da das auch für Tiere gilt, darf ihnen kein Leid zugefügt werden, also dürfen sie auch nicht getötet werden. Deshalb sind Buddhisten in der Regel auch Vegetarier, es sei denn, tierische Nahrung ist überlebensnotwendig wie in Tibet, wo praktisch nichts Essbares wächst. Trotz dieser pragmatischen Einstellung werden aber auch hier die Tiere sehr hoch geschätzt, gerade weil sie ihr Leben für das der Menschen opfern und diesen als Nahrung dienen.
»Willst du eine Stunde Glück, dann geh schlafen , willst du einen Tag Glück, dann geh in die Natur , willst du einen Monat Glück, dann heirate , willst du ein Leben lang Glück, dann helfe anderen .«
[ Chinesisches Sprichwort ]
Auch das Christentum kennt dieses höchste der Gefühle in dem alttestamentarischen Gebot: »Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst!« Im neuen Testament wird das durch Jesu Forderung ergänzt: »Willst du vollkommen sein, so geh hin, verkaufe, was du hast, und gib’s den Armen, so wirst du einen Schatz im Himmel haben.« (3. Buch Mose 19,18; Matthäus 19,19). Der gemeinsame Leitsatz von Buddhismus und Christentum könnte also lauten: »Liebe deinen Nächsten wie dich selbst – und handle danach!« Denn es geht sowohl im Christentum also auch in der Shaolin-Tradition um Unterstützen, Geben, Helfen – allerdings nicht im Sinn von Selbstaufgabe. Vielmehr ist
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