Shardik
dabei, denn in Gelt hatten sie so gut wie nichts vorgefunden. Sie würden bald kämpfen müssen, sonst müßten sie sich zerstreuen, um sich Nahrung zu besorgen.
Gel-Ethlin nickte. Das stimmte mit seiner Erfahrung mit Aufständischen und irregulären Bauernrebellen überein. Entweder kämpften sie sofort, oder ihre Truppe löste sich auf.
»Es sieht nicht so aus, als würden sie weit kommen«, sagte Balaklesch, der Anführer der Abteilung aus Lapan. »Warum marschieren wir nicht einfach nach Kabin und überlassen es dem Regen, sie zu vertreiben?«
Wie es öfter vorkommt, brachte der unrichtige Rat sofort Klarheit in die Überlegungen Gel-Ethlins und zeigte ihm, was zu tun war.
»Nein, das wäre keine Lösung. Sie würden monatelang umherwandern, Räuberbanden bilden, morden und plündern. Kein Dorf wäre mehr sicher, und schließlich müßte man eine andere Armee herschicken, um sie zu vernichten. Glaubt ihr alle, der Junge erzählt uns die reine Wahrheit?«
Sie nickten.
»Dann müssen wir sie sofort vernichten, sonst würde man in den Dörfern sagen, daß eine beklanische Armee versagt hat. Und wir müssen sie abfangen, bevor sie über die Bergstraße auf die Ebene von Gelt herunterkommen – teils um das Plündern zu verhindern, teils weil sie, wenn sie erst einmal in der Ebene sind, überallhin können. Wir würden vielleicht ihre Spur verlieren, und unsere Leute sind nicht in der Verfassung, Verfolgungsmärsche durchzustehen. Wir dürfen noch weniger Zeit verlieren, als wenn wir nach Kabin marschierten. Kapparah, du behältst den Jungen bei dir; wir werden ihn als Führer brauchen. Ihr anderen geht sofort zu euren Leuten und sagt ihnen, wir müssen heute nachmittag bei den Hügeln sein. Du, Balaklesch, nimmst hundert verläßliche Speerwerfer und ziehst sofort los. Such uns eine gute Verteidigungsstellung im Vorgebirge, schick einen Führer hierher zurück und stoß dann weiter vor, um festzustellen, was die Ortelganer treiben.«
Eine Stunde später hatte sich der Himmel von einem Horizont zum anderen mit Wolken überzogen, und es wehte stetiger Westwind. Der rote Staub drang den Soldaten in Augen, Ohren und Nasen und vermengte sich unter der Kleidung mit ihrem Körperschweiß. Sie marschierten mit Stoff- oder Lederstreifen über Mund und Nase und sperrten dauernd die Augen auf, weil sie die Hügel vor sich nicht erkennen konnten. Jede Kompanie folgte der vorangehenden durch den dicht wirbelnden Staub, der sich wie Schnee an der dem Wind zugekehrten Seite der Felsen, des Ufers und der wenigen Bäume und Hütten am Weg ansammelte – und auf den Menschen. Er drang in die Proviantsäcke und sogar in die Weinschläuche ein. Gel-Ethlin marschierte an der leeseitigen Flanke hinter der Kolonne, von wo er die Nachzügler überwachen und in einer gewissen Ordnung halten konnte. Nach zwei Stunden ließ er anhalten und formierte und staffelte die Kolonne neu, so daß, als man wieder loszog, jede Kompanie auf der Leeseite der unmittelbar hinter ihr kommenden marschierte. Das erleichterte aber die Unannehmlichkeit nur geringfügig, die weniger durch den Staub, der von ihnen selbst aufgewirbelt wurde, als durch den über die ganze Ebene wehenden Sturm verursacht wurde. Ihr Marschtempo wurde langsamer, und erst gute drei Stunden nach Mittag erreichte die an der Spitze marschierende Kompanie den Rand der Ebene und gelangte, nach Aufklärung über je einen Kilometer in beiden Richtungen, zu der Straße nach Gelt, wo sie sich durch die Myrthen- und Zypressenhaine über die unteren Hänge emporschlängelte.
Etwa dreihundert Meter über der Ebene erreichte die Straße eine flache, grüne Stelle, wo ein spärlicher Wasserfall in einen Felsenteich tröpfelte; dort traten die Kompanien, als sie ankamen, aus Reih und Glied, die Soldaten tranken und legten sich ins Gras. Zurückblickend sahen sie den Sandsturm unten in der Ebene, und ihre Stimmung besserte sich bei dem Gedanken, daß wenigstens eine Qual nun hinter ihnen lag. Gel-Ethlin murrte über die Verzögerung und drängte seine Offiziere, die Mannschaft wieder auf die Beine zu bringen. Es war am Nachmittag düster geworden, und der Wind über dem Flachland legte sich. Müde stolperten sie weiter, ihre Schritte, das Klirren ihrer Waffen und die gelegentlich gerufenen Befehle hallten von den sie umgebenden Felsen wider.
Bald gelangten sie zu einer schmalen Schlucht, wo sie von zwei Offizieren der Vorhut erwartet wurden. Diese berichteten, daß Balaklesch eine vortreffliche
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