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Sherry Thomas

Sherry Thomas

Titel: Sherry Thomas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eine fast perfekte Ehe
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musste.
    Lord Frederick war ein weit
begabterer Maler, als Camden gedacht hatte. Das Gemälde strahlte Wärme, Natürlichkeit
und eine bezaubernde Wehmut aus.
    Der Verliebte, stand auf dem schmalen Schild am
Rahmen.
    Der Verliebte.
    Im Haus seiner Schwester Claudia in
Kopenhagen hing eine Fotografie von Camden, die am Tag nach Neujahr im Jahre
1883 aufgenommen worden war. Damals hatte er auf seine Schwester und Mutter
gewartet, die sich noch für das Familienporträt zurechtmachten. Der Fotograf
hatte ihn fast in derselben Pose abgelichtet, in der der Verliebte auf Lord
Fredericks Bild dasaß – auf einem Sessel in seinen Tagtraum versunken, den Hut
in der Hand, lächelnd und den Blick auf einen Punkt außerhalb des Fotos
gerichtet.
    Tatsächlich hatte er damals aus dem
Fenster in Richtung Briarmeadow geschaut und an Gigi gedacht.
    Es war und blieb Claudias
Lieblingsbild von ihm, obwohl er sie immer wieder bat, es doch wegzuwerfen. Ich
schaue es mir so gern an, hatte sie erklärt. Du bist jetzt so ganz
anders, ich vermisse den alten Camden.
    An manchen Tagen vermisste er ihn
ebenfalls. Dieser Optimismus, der Rausch, das Gefühl, auf Wolken zu schweben.
Inzwischen wusste er ja, dass alles nur eine Lüge gewesen war, dass er für diese
wenigen Wochen überschäumenden Glücks mit der Gewissheit bezahlt hatte, nie
wieder so empfinden zu können. Dennoch vermisste er die Zeit.
    Er konnte sich scheiden lassen und
würde dennoch niemals ganz frei sein.
    Es war dunkel in Gigis Salon, nur aus ihrem Schlafzimmer,
zu dem die Tür leicht offenstand, fiel ein Streifen goldschimmernden Lichts
herein. Sonderbar, sie war eigentlich ganz sicher, dass sie beim Verlassen des
Zimmers alle Lampen gelöscht hatte.
    Im Schlafzimmer selbst entdeckte sie
dann, dass das Licht aus Camdens Zimmern drang. Die Verbindungstür zu seinem
Schlafgemach stand weit offen. Doch obwohl es hell erleuchtet war, schien es
leer zu sein, das Bett unberührt.
    Ihr Herz schlug schneller. Sie war
mit Absicht erst spät heimgekehrt, um eine Wiederholung des vorangegangenen
Abends zu vermeiden. Ganz sicher würde Camden nicht so lange wach bleiben, wenn
ihm ja noch dreihundertdreiundsechzig Tage zurVerfügung standen, um sie zu
schwängern.
    Aber wo steckte er jetzt? War er im
Sessel eingeschlafen? Oder amüsierte er sich noch irgendwo? Nun gut, was ging
es sie schon an, wie er seine Zeit verbrachte. Am besten, sie schloss leise die
Tür – sehr leise – und ging zu Bett.
    Stattdessen
betrat sie sein Schlafzimmer.
    Beim Anblick des wieder vollständig
eingerichteten Raums wurde ihr immer noch ganz seltsam zumute. Es erinnerte sie
daran, wie sie sich seinerzeit hier aufs Bett geworfen und laut geschluchzt
hatte, weil die Welt so ungerecht war.
    An jenem Tag, an dem sie hier hatte
ausräumen lassen, war sie wieder ins Leben zurückgekehrt. Drei Monate später
traf sie dann auf Lord Wrenworth und begann eine stürmische Affäre mit ihm, die
ihrem weiblichen Selbst bewusstsein wieder auf die Füße half. Doch hier in
diesem Schlafgemach hatte ihre innere Ablösung von Camden begonnen, hier hatte
sie beschlossen weiterzuleben, ganz gleich, wie einsam ihre Zukunft auch werden
mochte.
    Es lag nirgendwo etwas herum, das
auf seine Anwesenheit hätte schließen lassen, einmal abgesehen von einer
Taschenuhr mit silberner Kette. Sie lag auf dem halbmondförmigen Tisch
gegenüber dem Bett – ein wahres Kunstwerk der Uhrmacherkunst aus dem Hause
Patek Philippe & Cie. Gigi drehte die Uhr um. Auf der Rückseite waren
Glückwünsche zu Camdens dreißigstem Geburtstag von Claudia eingraviert.
    Sie legte die Uhr wieder fort. Das
Tischchen stand nah der halb geöffneten Tür zu Camdens Salon. Der war hell
erleuchtet, lag aber genauso still da wie das Schlafgemach, still wie der
Meeresgrund selbst.
    Entschlossen stieß sie die Tür auf.
Überall lagen Rollen mit technischen Zeichnungen herum, zu Dutzenden bedeckten
sie sämtliche Stühle und Tische im Raum. Auf dem Sekretär war ein weißes Blatt
ausgebreitet, das von einem Papierbeschwerer, einer Blechschachtel mit Bonbons
und einem Rechenschieber offen gehalten wurde.
    Camden selbst bemerkte sie erst, als
sie die Tür ganz geöffnet hatte. Er saß auf einem niedrigen Empire-Sessel und
trug wieder den schwarzen Hausmantel, der die dunklen Funken in seinen grünen
Augen betonte, sie aussehen ließ wie sommerliches Laub in der Abenddämmerung.
Auf seinem Schoß hatte er ein aufgeschlagenes Buch.
    »Du bist früh wach«,

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