Sherry Thomas
sie den Tisch, konnte an nichts anderes denken als daran, die Lust
dieser Vereinigung noch weiter zu steigern und auszukosten.
Ihre Leidenschaft entlud sich in
schnell aufeinanderfolgenden Wellen. Wie im Traum spürte sie Camdens letzten
Stoß, wie sein Körper sich wand und zuckte, und vernahm seinen stockend
gehenden Atem.
Sanft lehnte er den Kopf gegen ihren
Hals und hielt dabei ihre Taille umfasst. So standen sie da, fast war es eine
Umarmung.
»Oh Gott, Gigi«, murmelte er
kaum hörbar. »Gigi.«
Bei den Worten erstarrte sie, und
der Zauber des Augenblicks war gebrochen. Genau das hatte er auch in ihrer
Hochzeitnacht gestöhnt, über ihr, unter ihr, während sie geglaubt hatte, sie
beide wären im Paradies.
Sofort schüttelte sie ihn ab, drehte
sich um und drückte mit den Händen gegen seine Brust. Diese plötzliche wil de
Ablehnung überraschte ihn, wenn er auch erst ruhig stehen blieb. Dann
allerdings trat er beiseite. Gigi war es egal, dass sie in Strümpfen und
Handschuhen gerade so aussah wie diese Frauen auf den pornografischen Postkarten.
Sie bückte sich nach ihren Kleidern und drehte sich auf dem Absatz um.
»Warte.« Er ging ihr hinterher.
Eigentlich hatte sie erwartet, dass er ihr noch eines ihrer Kleidungsstücke
überreichen würde. Stattdessen legte er ihr seinen Hausmantel um die
Schultern. »Damit du dich nicht erkältest.«
Wütend, gedemütigt und gleichzeitig
verlegen fühlte sie sich, und daran änderte auch diese Geste nichts. Trotzdem
empfand sie dabei auf einmal wieder diesen tiefen Schmerz. Nachdem sie Camdens
Schlafgemach ausräumen lassen hatte, war sie sicher gewesen, dass damit auch
dieses Gefühl für immer verschwunden wäre: die Trauer um alles, was hätte sein
können.
»Du wirst von mir bestimmt kein
Dankeschön hören.« Ihr blieb nur noch Unfreundlichkeit als Waffe.
»Ich habe nichts getan, was einen
Dank verdienen würde«, erwiderte er. »Gute Nacht, Lady Tremaine. Bis morgen
Nacht.«
Kapitel 18
25. Mai 1893
Mrs. Rowland begrüßte Seine Gnaden, den
Duke of Perrin, auffällig weniger aufgeregt und unterwürfig als sonst. Nicht,
dass sie nun auf einmal unfreundlich gewirkt hätte. Nur war sie vorher so
offensichtlich an einer Vertiefung ihrer Bekanntschaft interessiert gewesen,
ja, geradezu aufdringlich dabei, dass ihre distanzierte Höflichkeit nun doch
überraschte. Selbst die Kleider in zarten Pastelltönen, die sie sonst in
seiner Gegenwart trug, hatte sie heute gegen strenges Schwarz vertauscht. Die
Robe sah aus wie die Trauerkleidung einer Witwe, deren Gemahl gerade gestorben
war.
Der Salon, in den sie ihn bat, war
hell erleuchtet wie Versailles. Überall brannten so viele Kerzen, dass er sich
schon fragte, ob vielleicht eine der umliegenden Kirchen ihren Altar vermisste.
Die Fenster zur Landstraße hinaus standen offen, die Vorhänge waren nur halb
geschlossen. Jeder, der draußen vorbeikam, konnte das Zimmer und seine
Einrichtung ganz genau einsehen.
Wollte sie aller Welt zeigen, dass
sie mit dem Duke of Perrin freundschaftlich bekannt war? Denkbar. Allerdings
ging schon bei Tage draußen selten jemand am Haus vorbei und abends erst recht
nicht. Genauso gut hätte sie auch ein Schild malen – Der Duke of Perrin
besucht dieses ehrenwerte Haus – und selbiges dann draußen mit der Schrift
nach unten in den Vorgarten legen können.
»Darf ich Ihnen etwas zu trinken
anbieten?«, fragte Mrs. Rowland. »Tee, Ananassaft oder Limonade?«
Er musste dreizehn gewesen sein, als
man ihm das letzte Mal eine Limonade angeboten hatte. Es war ihm auch nicht
entgangen, dass seine Gastgeberin ihm keinen Alkohol geben wollte.
»Einen Cognac, bitte.«
Zwar presste sie missbilligend die
Lippen zusammen, wagte es aber nicht, dem Duke die einfache Bitte nach einem
Weinbrand abzuschlagen. »Selbstverständlich. Hollis«, wandte sie sich an
den Butler, »bringen Sie eine Flasche Rémy Martin für Seine Gnaden.«
Der Mann verneigte sich und
verschwand.
Langford lächelte zufrieden. Na
also, schon besser. Von wegen Limonade! »Ihre Reise nach London ist hoffentlich
erfolgreich verlaufen?«
Sie lachte, ein ehrliches offenes
Lachen, das allerdings auch ein wenig beunruhigt klang. »Ja, das könnte man
sagen.«
Er konnte sich nicht helfen, er
musste sie einfach anstarren. Der matte Stoff ihres dunklen Kleides brachte
ihre helle zarte Haut zum Leuchten, ihre Haare schimmerten im Licht der
Kerzen. Ein wenig überrascht wurde ihm plötzlich klar, dass sie auf die
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