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Shibumi: Thriller (German Edition)

Shibumi: Thriller (German Edition)

Titel: Shibumi: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Trevanian
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hätte der Lehrer ihn gebeten, ihm das Atmen zu erklären oder den Duft der Blumen. Nikolai war überzeugt, dass Otake-san genau wusste, was er meinte; schließlich brauchte er sich doch nur seine eigenen Ruhepausen zu vergegenwärtigen. Warum also stellte er ihm solche Fragen?
    Otake-san streckte die Hand aus und berührte Nikolais Arm. »Ich verstehe, Nikko, dass es dir schwerfällt, es zu erklären. Und ich verstehe, glaube ich, ein wenig von dem, was du erlebst – nicht, weil ich es selbst erfahren, sondern weil ich darüber gelesen habe, denn es hat immer schon meine Neugier erregt. Man nennt so etwas Mystik.«
    Nikolai lachte. »Mystik? Aber, Lehrer …«
    »Hast du jemals mit einem Menschen über dieses – wie hast du es noch genannt? – ›Sichentfernen, ohne wegzugehen‹ gesprochen?«
    »Also … Nein. Warum sollte man darüber sprechen?«
    »Nicht mal mit unserem guten Freund Kishikawa-san?«
    »Nein, Lehrer. Das Thema kam nie zur Sprache. Ich verstehe nicht, warum Sie mir diese Fragen stellen. Ich bin verwirrt. Und ich beginne mich zu schämen.«
    Otake-san drückte seinen Arm. »Aber nein! Du brauchst dich nicht zu schämen. Hab keine Angst. Siehst du, Nikko, was du erlebst … das, was du ›Ausruhen‹ nennst … das erfahren nur sehr wenige Menschen, und wenn, dann höchstens andeutungsweise, solange sie noch sehr jung sind. Fromme Menschen versuchen ein solches Erlebnis durch Kasteiung und Meditation herbeizuführen, törichte mithilfe von Drogen. In allen Epochen und in allen Kulturkreisen war es nur wenigen Glücklichen vergönnt, diesen Zustand der Ruhe und des Einsseins mit der Natur (ich benutze diese Ausdrücke zur Beschreibung, weil es die sind, die ich gelesen habe) ohne jahrelange strenge Kasteiung zu erreichen. Anscheinend geschieht das bei diesen Auserwählten ganz selbstverständlich und leicht. Solche Menschen nennt man Mystiker. Das ist allerdings eine etwas unglückliche Bezeichnung, weil sie Anklänge an Religion und Magie in sich birgt. Im Übrigen wirken alle Beschreibungen dieser Erlebnisse recht theatralisch. Was du als ›Ausruhen‹ bezeichnest, nennen andere Ekstase.«
    Bei diesem Wort grinste Nikolai voll Unbehagen. Wie konnte man die realste Sache der Welt als Mystik bezeichnen? Wie konnte man das stillste Gefühl der Welt Ekstase nennen?
    »Du lächelst über das Wort, Nikko. Aber das Erlebnis ist doch sicherlich angenehm, oder?«
    »Angenehm? So habe ich es noch nie gesehen. Es ist … es ist notwendig.«
    »Notwendig?«
    »Nun ja, wie könnte man tagein, tagaus leben, wenn es zwischendurch kein Ausruhen gäbe?«
    Otake-san lächelte. »Wir anderen müssen uns ohne dieses Ausruhen durchs Leben plagen.«
    »Ich bitte um Verzeihung, Lehrer. Aber ein solches Leben kann ich mir einfach nicht vorstellen. Wo läge der Sinn eines derartigen Lebens?«
    Otake-san nickte. Er hatte bei seiner Lektüre festgestellt, dass kein Mystiker fähig war, die Menschen zu verstehen, die seine Gabe nicht besaßen. Voller Unbehagen erinnerte er sich daran, dass der Verlust dieser Gabe – und die meisten verlieren sie früher oder später – bei den Mystikern Panik und tiefe Depressionen auslöst. Manche suchen Zuflucht in der Religion, weil sie hoffen, ihre mystischen Erlebnisse mithilfe der Meditation wiederzufinden. Manche begehen sogar Selbstmord, weil ihnen ein Leben ohne mystische Entrückung sinnlos erscheint.
    »Nikko? Ich bin, was die Mystik anbetrifft, schon immer überaus wissbegierig gewesen, deshalb gestatte mir bitte, dir ein paar Fragen über dieses ›Ausruhen‹ zu stellen. In meiner Lektüre benutzen die Mystiker, die über ihre Entrückungen berichten, immer sehr schwer fassliche Ausdrücke, viele scheinbare Widersprüche, viele poetische Paradoxa. Es ist, als versuchten sie etwas zu beschreiben, das zu kompliziert ist, um es in Worten auszudrücken.«
    »Oder zu einfach, Sir.«
    »Ja. Vielleicht ist es das. Zu einfach.« Otake-san presste die Faust auf seinen Magen, um den Druck ein wenig zu lindern, und nahm sich noch ein Pfefferminzbonbon. »Wie lange hast du diese Erlebnisse schon?«
    »Schon immer.«
    »Seit deiner Kindheit?«
    »Schon immer.«
    »Aha. Und wie lange dauern sie jedes Mal?«
    »Das spielt keine Rolle, Lehrer. Dort existiert keine Zeit.«
    »Das Erlebnis ist also zeitlos?«
    »Nein. Es gibt weder Zeit noch Zeitlosigkeit.«
    Otake-san schüttelte lächelnd den Kopf. »Willst du mir auch mit so schwer fasslichen Ausdrücken und so poetischen Paradoxa

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