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Shining Girls (German Edition)

Shining Girls (German Edition)

Titel: Shining Girls (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lauren Beukes
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schrecklich peinlichen Punk-Schulabschlussfotos zu einem Bild von ihr als nacktem Kleinkind, das in einem aufblasbaren Planschbecken steht, einen Gartenschlauch in der Hand hält und schelmisch in die Kamera blickt. Rachel sitzt neben dem Planschbecken auf einer Klappliege mit gestreiftem Leinenbezug, das Haar jungenhaft kurz geschnitten, und raucht mit einer übergroßen Schildpattsonnenbrille auf der Nase eine Zigarette. Das glamouröse Unbehagen der Vorortsiedlungen. «Sieh mal, wie niedlich du warst», sagt sie. «Du warst immer ein süßes Kind, aber auch frech. Das sieht man deinem Gesicht an. Ich wusste wirklich nicht, was ich mit dir anfangen sollte.»
    «Das kann man wohl sagen.»
    «Sei nicht gemein», sagt Rachel, aber ohne Nachdruck.
    Kirby nimmt ihr das Album aus den Händen und blättert es durch. Das Problem mit Schnappschüssen ist, dass sie die echte Erinnerung ersetzen. Man hält einen Augenblick fest, und er wird zu allem, was übrig bleibt.
    «Oh Gott, sieh dir nur mal meine Haare an.»
    «Ich hab dir jedenfalls nicht gesagt, dass du sie abrasieren sollst. Sie haben dich beinahe von der Schule geworfen.»
    «Was ist das?» Es kommt schärfer heraus, als sie beabsichtigt hat. Aber es ist ein furchtbarer Schock. Grauenerregend wie ein Sumpf.
    «Hmmm?» Rachel nimmt das Foto von ihr. Das Foto ist auf eine vergilbte Klappkarte aufgezogen, auf der in einem fröhlich geschwungenen Schriftzug «Grüße aus Great America 1976 !» steht. «Dieser Freizeitpark. Du hast geweint, weil du vor der Achterbahn Angst hattest. Ich fand es furchtbar, dass wir keine Ausflüge mit dem Auto machen konnten, ohne dass dir schlecht wurde.»
    «Nein, was ist
das da
in meiner Hand?»
    «Ehrlich, ich kann mich nicht an die Lebensgeschichte all deiner Spielsachen erinnern.»
    «Bitte
denk nach
, Rachel.»
    «Du hast es irgendwo gefunden. Hast es ewig mit dir rumgeschleppt, bis du dich in was anderes verliebt hast. Das konnte man bei dir nie vorhersagen. Danach kam eine Puppe mit Wendeperücke, auf der einen Seite blond, auf der anderen braun. Melody? Tiffany? So was in der Art. Sie hatte die unglaublichsten Sachen zum Anziehen.»
    «Und wo ist es jetzt?»
    «Wenn es nicht in einem von den Kartons ist, habe ich es wohl irgendwann aussortiert. Ich hebe nicht
alles
auf. Was machst du da?»
    Kirby wühlt in den Kartons, kippt sie auf dem verwilderten Rasen aus.
    «Das ist ziemlich egoistisch», bemerkt Rachel ruhig. «Das später wieder aufzuräumen wird weniger lustig.»
    Da sind Pappröhren für Poster, ein schauderhaftes Teeservice mit braunen und orangefarbenen Blumen von Kirbys Großmutter in Denver, bei der sie mit fünfzehn wohnen wollte, eine hohe Kupfer-Wasserpfeife mit abgebrochenem Mundstück, deren krümelige Asche nach untergegangenen Imperien riecht, eine ramponierte, silbrige Mundharmonika, alte Farbpinsel und ausgetrocknete Kugelschreiber, Kacheln, auf die Rachel tanzende Katzen gemalt hat, die sich im Kunsthandwerksladen eine Weile richtig gut verkauft haben, indonesische Vogelkäfige, ein Stück Elefantenstoßzahn oder vielleicht auch Warzenschweinhauer (echtes Elfenbein auf jeden Fall) mit Schnitzereien, ein Jade-Buddha, eine Drucker-Papierkassette, Letraset-Anreibebuchstaben und schätzungsweise eine Tonne schwerer Kunst- und Designbücher, in denen abgerissene Papierstückchen als Lesezeichen klemmen, ein Wirrwarr von Modeschmuck, ein Webervogelnest und mehrere Traumfänger, die sie einen Sommer lang gebastelt haben, als Kirby zehn Jahre alt war. Manche Kinder haben Limonadenstände aufgemacht, Kirby aber hat versucht, ihre Traumfänger mit den Spinnweben aus Schnüren und herunterbaumelnden Kristallperlen zu verkaufen. Und da wundert sie sich noch, dass sie so geworden ist.
    «Wo sind meine
Spielsachen
, Mom?»
    «Die wollte ich weggeben.»
    «Das hättest du doch nicht geschafft», sagt Kirby und streicht sich ein paar Grashalme von den Knien. Sie geht zurück ins Haus und in den Keller, das Foto in der Hand.
     
    Sie findet den verblassten Plastikkoffer schließlich in der kaputten Kühltruhe, die Rachel zum Aufheben irgendwelcher Sachen benutzt. Er liegt unter einem Müllsack voll alter Hüte, mit denen Kirby früher Verkleiden gespielt hat, halb eingedrückt von einem Spinnrad aus Holz, das einem Antiquitätensammler einiges wert sein muss.
    Rachel sitzt oben auf der Treppe, das Kinn auf die Knie gelegt, und beobachtet sie. «Du bist mir immer noch ein Rätsel.»
    «Sei still, Mom.»
    Kirby klappt den

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