Shogun
sagte leise: »Warum hat er mich dann heimlich gebeten, der Dame Ochiba diesen Gedanken einzureden?«
Marikos Zuversicht begann zu wanken. »Er hat Euch gesagt, das solltet Ihr tun?«
»Ja. Von Yokosé aus, nachdem er Herrn Zataki gesehen hatte. Warum hat er die Falle selbst aufgestellt?« Kiri biß sich auf die Lippen. »Ich wünschte, ich wüßte es! Bald werden wir es erfahren. Aber deshalb mache ich mir doch so meine Gedanken, neh?«
»Für mich ist es leicht. Unser Gebieter hat gesagt, wir sollten abreisen.«
»Ich glaube, was wir tun, ist sehr gefährlich. Aber trotzdem, wie kann ich helfen?«
»Unterstützt mich!«
»Das tue ich. Habe ich immer getan.«
»Ich werde bis zum Sonnenaufgang hierbleiben, Kiri. Aber zuerst muß ich mit dem Anjin-san sprechen.«
»Ja. Da komme ich besser mit.«
Die beiden Frauen verließen Kiris Gemächer. Ein Trupp von Braunen begleitete sie. Sie gingen an anderen Braunen vorüber, die sich tief verneigten. Sie waren offensichtlich ungeheuer stolz auf Mariko. Kiri ging die Korridore entlang, durchquerte die große Audienzhalle und betrat den Korridor. Dort standen Braune Wache – und Graue. Als sie Mariko erblickten, verneigten sich alle. Sowohl Kiri als auch Mariko waren erschrocken, Graue in ihrem Teil der Burg vorzufinden, verbargen jedoch ihre Verwirrung und sagten nichts.
Kiri zeigte auf die Tür.
»Anjin-san?« rief Mariko laut.
»Hai?« Die Tür ging auf, und Blackthorne stand da. Hinter ihm im Raum befanden sich zwei weitere Graue. »Hallo, Mariko-san.«
»Hallo.« Mariko warf einen Blick auf die Grauen. »Ich muß unter vier Augen mit dem Anjin-san sprechen.«
»Bitte, sprecht mit ihm, Dame«, erklärte ihr Hauptmann höchst ehrerbietig. »Unglücklicherweise haben wir von Herrn Ishido persönlich Order bekommen, ihn bei Todesstrafe nicht allein zu lassen.«
Yoshinaka, der Offizier, der heute abend Wache hatte, kam herbei. »Verzeiht mir, Dame Toda, ich mußte mich mit diesen zwanzig Wachen für den Anjin-san einverstanden erklären. Es war eine persönliche Bitte von Herrn Ishido. Tut mir leid.«
»Da Herr Ishido so um die Sicherheit des Anjin-san besorgt ist, seien sie willkommen«, sagte sie, innerlich freilich alles andere als erfreut.
»Wir sollten aber auch die Sitten des Anjin-san achten, wenn wir können, Hauptmann«, sagte Yoshinaka. »Ich weiß vielleicht eine Lösung. Bitte, folgt mir.« Er führte sie zurück in die Audienzhalle. »Bitte, Dame, würdet Ihr mit dem Anjin-san vielleicht dort Platz nehmen?« Er zeigte auf das Podest am anderen Ende. »Die Wachen des Anjin-san können an den Türen Aufstellung nehmen und ihrem Lehnsherrn gegenüber ihre Pflicht tun, wir können die unsere tun, und Ihr könnt reden, wie Ihr wünscht und wie es den Sitten des Anjin-san entspricht. Neh?«
Mariko erklärte Blackthorne, was Yoshinaka gesagt hatte, und fuhr dann vorsichtshalber lateinisch fort: »Sie werden Ihn heute nicht allein lassen. Es bleibt uns nichts anderes übrig … es sei denn, Er will, daß ich Befehl gebe, sie zu töten.«
»Ich wünsche, allein mit Ihr zu sprechen«, erwiderte Blackthorne. »Aber nicht auf Kosten von Menschenleben. Ich danke Ihr, mich gefragt zu haben.«
Mariko wandte sich an Yoshinaka. »Sehr wohl, vielen Dank, Yoshinaka-san. Würdet Ihr wohl bitte jemand nach Räucherbecken schicken, damit die Moskitos ferngehalten werden?«
Mariko lächelte Blackthorne zu. »Wollen wir hinübergehen und uns setzen, Anjin-san?«
Er folgte ihr. Kiri begab sich wieder in ihre Gemächer, und die Grauen stellten sich an den Türen der Audienzhalle auf. Der Hauptmann der Grauen stand in der Nähe von Yoshinaka, ein paar Schritte von den anderen entfernt. »Das gefällt mir gar nicht«, flüsterte er mit rauher Stimme.
»Glaubt Ihr etwa, daß die Dame Toda ihm sein Schwert aus der Scheide reißt und ihn umbringt? Ich möchte Euch nicht kränken … aber wo bleibt Euer Verstand?«
Yoshinaka hinkte fort, um die anderen Posten zu inspizieren. Der Hauptmann sah zum Podest hinüber. Wohl beleuchtet vom Schein der Fackeln saßen Mariko und der Anjin-san einander gegenüber. Was sie sprachen, konnte er nicht hören. Er konzentrierte sich auf ihre Lippenbewegungen, was ihm jedoch nicht weiterhalf, wiewohl seine Augen sehr gut waren und er fließend portugiesisch sprach. Ich nehme an, sie reden wieder in der Sprache der Patres, sagte er sich. Abscheuliche Sprache, unmöglich zu erlernen.
Aber was macht es schon? Warum sollte sie sich nicht
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