Showman
irgendwo war sie das nicht gewesen.
Still und starr blieb sie liegen. Es verging Zeit. Sie wußte nicht, wieviel, aber sie merkte, daß sich in ihrem Kopf etwas tat, das nicht unbedingt von ihr gelenkt wurde.
Doris wollte es nicht, aber sie schaffte es nicht, sich dagegen zu wehren und den Graben zu überspringen. Es hatte sich in ihr Gehirn festgebrannt.
Starr lag sie auf dem Rücken und wartete.
Wartete?
Ja, es kam ihr so vor, als wäre sie dabei, auf ein bestimmtes Ereignis zu warten. Irgendwann würde es einmal eintreten, und sie wußte auch, daß sie sich darüber nicht freuen konnte. Es war zu gefährlich, zu grausam und zu fremd.
Ich liege auf dem Bett! Ich liege auf dem Bett. Ja, ich liege auf dem Bett.
Sie hämmerte sich diesen Gedanken mehrmals ein. Es klappte, es war auch gut, sie bekam auch etwas von ihrem Optimismus zurück, aber die leichte Drehung nach rechts wurde von ihr nicht gesteuert. Dafür trug die andere Kraft die Verantwortung. Und sie sorgte auch dafür, daß sie ihren Blick auf das Fenster richten konnte.
Natürlich saßen die beiden Polizisten dort und auch ihr Freund. Sie aber waren in den Hintergrund hineingeschoben worden. Zwar existent, aber für Doris nicht mehr vorhanden, denn ihr Blickfeld wurde einzig und allein von diesem verdammten Fenster eingenommen, dem Dreieck, düster und unheimlich.
Sehr gut konnte die Frau es erkennen, als wäre es nur für sie geschaffen worden. Sie schaute hindurch, weit hindurch, oder war es nicht so weit?
Egal wie, es interessierte sie, und auch der in der Ferne schwimmende Lichtschein war plötzlich interessant für sie geworden. Ein gelber und gleichzeitig weißer Schein, als stünde in der Dunkelheit, jenseits der Wolken, ein großer Scheinwerfer, der sein Licht auf die Erde schickte.
Einmalig…
Sie lächelte. Urplötzlich war der Druck von ihr verschwunden. Der Schein hatte alles andere weggeputzt. Sie freute sich auf ihn, und eigentlich hätten sich die anderen im Zimmer auch freuen müssen, aber sie taten nichts, gar nichts. Sie blieben regungslos auf ihren Plätzen hocken.
Warum sagten sie nichts?
Das Licht blieb. Es rückte näher. Es hellte die Wolken auf, machte sie zu strahlenden Gebilden – und zerstörte sie. Es war eine lautlose Explosion, die Doris erlebte. All das, was noch gestört hatte, war brutal zur Seite gefegt worden. Plötzlich glänzte der Himmel in einem herrlichen Schein, der sich nicht nur an einer Stelle aufhielt, sondern sich gegen das Fenster drängte und das Dreieck voll und ganz ausfüllte.
Auf, an und in der Scheibe gab es keinen Flecken Dunkelheit mehr, und in diesem gläsernen Dreieck, das ihr wie ein magisches Zeichen vorkam, bewegte sich etwas.
Zuerst dachte Doris, daß es das Licht gewesen wäre, das dort tanzte.
Nein, das stimmte nicht. Eine Gestalt hatte sich gezeigt. Sie stand darin wie ein böser Götze, der eigentlich ins Dunkel gehört hätte, aber nun seinen Weg daraus hervorgefunden hatte.
Jetzt stand er im Licht.
Und wie er da stand.
Bekleidet mit einem blutroten Mantel und einem Schal. Den Kopf hatte er vorgebeugt, eine Schädelplatte, die wie Gebein schimmerte, aber helle Flecken bekommen hatte. Ein Maul, das ein häßliches Grinsen zeigte, Augen, die durch die Scheibe in die Wohnung stierten und ein Ziel suchten.
Sie fanden es.
Es war Doris!
Dieser Blick traf sie wie ein Schlag aus unsichtbarer Hand. Plötzlich sah sie die tief in den Höhlen liegenden Augen, und sie kamen ihr vor wie eine Lockung.
Sie schickten Signale, die von der Frau aufgefangen wurden. Ja, sie wollte es, sie verstand die Botschaft, die ihr der vor dem Fenster stehende Showman schickte.
Nur vor dem Fenster?
Dort sah sie ihn, doch sie spürte ihn auch woanders. In ihrem Kopf hatte er sich eingenistet wie ein von Doris akzeptierter Fremdkörper, der genau über sie Bescheid wußte und sie auch dirigieren konnte.
Daß nur sie den Showman sah und nicht die anderen, darüber machte sie sich keine Gedanken. Er wollte eben sie, und er wollte ihr auch etwas zeigen.
In seinem dünnhäutigen Gesicht bewegten sich die Augen und auch der Mund, der sich noch mehr in die Breite zog und ihr deshalb eine weitere Botschaft ankündigte.
Beide Arme hob der Showman an. Die liegende Frau konnte ihn überdeutlich sehen. Aus den langen und breiten Öffnungen krochen die Hände hervor wie verkohlte Hühnerklauen. Sie waren nach vorn weggesackt. Dann bewegten sie sich zuckend, als sie gedreht wurden und die Handflächen nach
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