Showtime! (German Edition)
der Bühne. An den Tischen und an der Bar buhlten die Damen des Hauses in exklusiv-sündiger Aufmachung charmant um die Gunst der Gäste.
Ein fester Griff um ihren Oberarm hielt Georgia auf, als sie die Bar passierte.
«Ich erwarte mehr Einsatz heute Nacht, Joanna» gab ihr Joe, der Clubbesitzer, mit auf Freundlichkeit getrimmter Miene zu verstehen. «Wir werden uns heute ein wenig mehr anstrengen und uns nicht danebenbenehmen, ja? Sonst war das hier heute deine letzte Nacht, Schätzchen.»
Georgia entfernte mit sanftem Nachdruck seine Pranke von ihrem Arm und drückte ihre Zigarette im Ascher auf der Bar aus. «Ich bin ganz artig» versprach sie in neutralem Ton.
Applaus folgte dem Abgang der jetzt splitternackten Tänzerin.
Als sie sich effektvoll auf einen der Barhocker drapierte und den Blickkontakt zu einem der Gäste intensivierte, ein unterdrücktes Gefühl aus Zorn und Demütigung im Bauch, wandte er sich bereits anderen Dingen zu.
Chris' und Kikis charmante Bemühungen an einem Tisch offenbar wohlbetuchter Geschäftsleute zahlte sich bereits aus. Einer der Kellner in Anzug und Fliege servierte galant gleich zwei Flaschen eisgekühlten Champagner. Vermutlich gab es einen Grund zu feiern.
Georgia rutschte sanft vom Barhocker und flanierte gemächlich dem ins Visier genommenen Gast entgegen. Auf unaufdringliche Anfrage folgte die höfliche Aufforderung, Platz zu nehmen, ein angenehmes Gespräch, und schon bald darauf der erhoffte Wink nach dem Kellner. Das Servieren einer Piccolo.
Auf der Bühne tanzte sich Naomi, pure Sinnlichkeit auf unendlichen Beinen, die Seele aus dem Leib. Auch sie hatte, wie Georgia, das Tanzen gelernt und wirkte sehr professionell. Sie verstand es, ihre Magie auf die Zuschauer zu übertragen und sie in ihren Bann zu ziehen.
Georgia übte gepflegt Konversation und zollte Naomis Auftritt nebenher unauffällig Respekt.
«Und du heißt also Rainer und bist Architekt?» widmete sie ihre betörende Aufmerksamkeit dem Herrn an ihrer Seite. «Ein sehr gutaussehender Architekt dazu. Gibt es mehr von deine Sorte da unten in Frankfurt?»
«Schon» erwiderter er, während seine Augen ungeniert ihren geschmeidigen Körper abtasteten. «Und gibt es noch mehr von deiner Sorte da unten in - was sagtest du? ... Bangkok? - Du bist doch nicht wirklich aus dem asiatischen Raum, oder? Du willst mich veralbern...?»
Georgia lächelte tiefgründig und quirlte mit dem Strohhalm Kohlensäure aus dem Sektglas, ihn mit geübtem Schlafzimmerblick taxierend. «Bangkok, London, Montreal, Kapstadt, wen interessiert das schon... » Sie umfasste graziös den Stiel des Glases und prostete ihm zu. «Sag: fasst du noch selbst mit an auf dem Bau? Mit deine starke Hände?» Sie betastete sanft seinen Oberarm und gab sich beeindruckt. « ... und deine starke Muskeln?»
«Gelegentlich... »
«Und wie sieht es aus, Rainer» fragte sie, während ihr Zeigefinger sachte über sein Handgelenk strich, «hast du vor, dich hier in Berlin richtig gut zu amüsieren...?»
«Wenn ich sehe, was sich hier auf dem Sektor so alles bietet» erwiderte er, seine Augen wohlwollend auf ihr Dekolleté gerichtet, «dann denke ich, dass es durchaus in Frage käme.»
Georgia bekam Zeichen. Sie erhob sich ohne Eile, blieb kurz hinter ihm stehen und sagte schmeichelnd, die Hände auf seinen Schultern: «Dann warte auf mich, Schatz. Schau mir ein bisschen zu. Ich bin gleich wieder für dich da - geh' nicht weg.»
Sie begab sich zum seitlichen Bühnenaufgang, über den Naomi gerade abtrat, und verharrte einen Moment in ruhiger Konzentration.
«Ich bitte um ihre Aufmerksamkeit» erklang die erhobene Stimme übers Mikrophon, «für unsere Femme fatale aus Sydney, Australien: Lassen sie sich jetzt von Joanna in heiße Leder- und Lackträume entführen!»
Unter verhaltenem Applaus, im kurzen Dunkel, betrat sie die Bühne. Der geheimnisvolle Rhythmus ihrer einsetzenden Musik, dem Libertango von Grace Jones, verbreitete erwartungsvolle Spannung.
Wechselfarbiges Scheinwerferlicht erstrahlte, als Kegel auf sie gerichtet, und Georgia begann, sich sanft im Takt zu wiegen, die Augen kühl und blicklos ins Publikum gerichtet, das Gesicht eine emotionslose Maske. Ihr Körper war sinnliche Musik, ihre Bewegungen, eher sparsam dosiert zu Anfang, deuteten an, ohne zu zeigen, steigerten sich sehr langsam, fesselten die Blicke der Zuschauer. Grace Jones sang, Georgias Körper veranschaulichte, verband Feuer und Eis, Unnahbarkeit und Verheißung.
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