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Siddharta

Siddharta

Titel: Siddharta Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Hesse
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künftige
    Buddha, seine Zukunft ist alle schon da, du hast in ihm, in dir, in jedem den werdenden, den möglichen, den verborgenen
    Buddha zu verehren. Die Welt, Freund Govinda, ist nicht
    unvollkommen, oder auf einem langsamen Wege zur
    Vollkommenheit begriffen: nein, sie ist in jedem Augenblick
    vollkommen, alle Sünde trägt schon die Gnade in sich, alle
    kleinen Kinder haben schon den Greis in sich, alle Säuglinge
    den Tod, alle Sterbenden das ewige Leben. Es ist keinem
    Menschen möglich, vom anderen zu sehen, wie weit er auf
    seinem Wege sei, im Räuber und Würfelspieler wartet Bud-
    dha, im Brahmanen wartet der Räuber. Es gibt in der tiefen
    Meditation die Möglichkeit, die Zeit aufzuheben, alles gewe-
    sene, seiende und sein werdende Leben als gleichzeitig zu se-
    hen, und da ist alles gut, alles vollkommen, alles ist Brah-
    man. Darum scheint mir das, was ist, gut, es scheint mir Tod
    wie Leben, Sünde wie Heiligkeit, Klugheit wie Torheit, alles
    muß so sein, alles bedarf nur meiner Zustimmung, nur meiner
    Willigkeit, meines liebenden Einverständnisses, so ist es für
    mich gut, kann mir nie schaden. Ich habe an meinem Leibe
    und an meiner Seele erfahren, daß ich der Sünde sehr
    bedurfte, ich bedurfte der Wollust, des Strebens nach Gütern,
    der Eitelkeit und bedurfte der schmählichsten Verzweiflung,
    um das Widerstreben aufgeben zu lernen, um die Welt lieben
    zu lernen, um sie nicht mehr mit irgendeiner von mir
    gewünschten, von mir eingebildeten Welt zu vergleichen,
    einer von mir ausgedachten Art der Vollkommenheit, sondern
    sie zu lassen, wie sie ist, und sie zu lieben, und ihr gerne
    anzugehören. - Dies, o Govinda, sind einige von den
    Gedanken, die mir in den Sinn gekommen sind.«
    Siddhartha bückte sich, hob einen Stein vom Erdboden auf
    und wog ihn in der Hand.
    »Dies hier«, sagte er spielend, »ist ein Stein, und er wird in
    einer bestimmten Zeit vielleicht Erde sein, und wird aus Erde
    Pflanze werden, oder Tier oder Mensch. Früher nun hätte ich
    gesagt: >Dieser Stein ist bloß ein Stein, er ist wertlos, er gehört der Welt der Maja an: aber weil er vielleicht im Kreislauf der
    Verwandlungen auch Mensch und Geist werden kann, darum
    schenke ich auch ihm Geltung.< So hätte ich früher vielleicht gedacht. Heute aber denke ich: dieser Stein ist Stein, er ist
    auch Tier, er ist auch Gott, er ist auch Buddha, ich verehre und liebe ihn nicht, weil er einstmals dies oder jenes werden
    könnte, sondern weil er alles längst und immer ist -und gerade
    dies, daß er Stein ist, daß er mir jetzt und heute als Stein
    erscheint, gerade darum liebe ich ihn, und sehe Wert und Sinn
    in jeder von seinen Adern und Höhlungen, in dem Gelb, in
    dem Grau, in der Härte, im Klang, den er von sich gibt, wenn
    ich ihn beklopfe, in der Trockenheit oder Feuchtigkeit seiner
    Oberfläche. Es gibt Steine, die fühlen sich wie Öl oder wie
    Seife an, und andre wie Blätter, andre wie Sand, und jeder ist
    besonders und betet das Om auf seine Weise, jeder ist Brahman,
    zugleich aber und ebensosehr ist er Stein, ist ölig oder seifig, und gerade das gefällt mir und scheint mir wunderbar und der
    Anbetung würdig. - Aber mehr laß mich davon nicht sagen.
    Die Worte tun dem geheimen Sinn nicht gut, es wird immer
    alles gleich ein wenig anders, wenn man es ausspricht, ein
    wenig verfälscht, ein wenig närrisch -ja, und auch das ist sehr gut und gefällt mir sehr, auch damit bin ich sehr einverstanden, daß das, was eines Menschen Schatz und Weisheit ist, dem
    ändern immer wie Narrheit klingt.«
    Schweigend lauschte Govinda.
    »Warum hast du mir das von dem Steine gesagt?« fragte er
    nach einer Pause zögernd.
    »Es geschah ohne Absicht. Oder vielleicht war es so ge-
    meint, daß ich eben den Stein, und den Fluß, und alle diese
    Dinge, die wir betrachten und von denen wir lernen können,
    liebe. Einen Stein kann ich lieben, Govinda, und auch einen
    Baum oder ein Stück Rinde. Das sind Dinge, und Dinge kann
    man lieben. Worte aber kann ich nicht lieben. Darum sind
    Lehren nichts für mich, sie haben keine Härte, keine Weiche,
    keine Farben, keine Kanten, keinen Geruch, keinen
    Geschmack, sie haben nichts als Worte. Vielleicht ist es dies,
    was dich hindert, den Frieden zu finden, vielleicht sind es die vielen Worte. Denn auch Erlösung und Tugend, auch Sansara und Nirwana sind bloße Worte, Govinda. Es gibt kein
    Ding, das Nirwana wäre; es gibt nur das Wort Nirwana.«
    Sprach Govinda: »Nicht nur ein Wort,

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