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Sie belieben wohl zu scherzen, Mr. Feynman

Sie belieben wohl zu scherzen, Mr. Feynman

Titel: Sie belieben wohl zu scherzen, Mr. Feynman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard P. Feynman
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Ziffern durch mechanische Drehung wechselten. Die Uhr war sehr empfindlich und blieb oft aus irgendwelchen Gründen stehen - ich mußte sie von Zeit zu Zeit reparieren -, aber sie war all diese Jahre gelaufen. Jetzt war sie wieder stehengeblieben - um 9 Uhr 22, zu dem Zeitpunkt, der auf dem Totenschein stand!
    Ich erinnerte mich, wie mir einmal im Haus meiner Verbindung am MIT aus heiterem Himmel der Gedanke gekommen war, daß meine Großmutter gestorben sei. Gleich danach klingelte das Telephon, einfach so. Es war ein Anruf für Pete Bernays - meine Großmutter war nicht gestorben. Ich merkte mir das für den Fall, daß mir jemand eine Geschichte erzählte, die anders ausgegangen war. Ich überlegte mir, daß solche Dinge manchmal durch Zufall geschehen können - schließlich war meine Großmutter sehr alt -, obwohl man denken könnte, sie hätten sich durch irgendein übernatürliches Phänomen ereignet.
    Arlene hatte diese Uhr in der ganzen Zeit, in der sie krank war, neben ihrem Bett gehabt, und nun war sie in dem Moment stehengeblieben, in dem sie starb. Ich kann verstehen, daß jemand, der halb an die Möglichkeit solcher Dinge glaubt und nicht zu Zweifeln neigt - zumal unter solchen Umständen -, nicht sofort herauszufinden versucht, was passiert ist, sondern statt dessen erklärt, daß niemand die Uhr berührt habe und daß es keinerlei Erklärung durch natürliche Phänomene gebe. Die Uhr war einfach stehengeblieben. Das würde auf dramatische Weise diese phantastischen Erscheinungen belegen.
    Mir fiel auf, daß das Licht im Zimmer gedämpft war, und dann erinnerte ich mich, daß die Schwester die Uhr genommen und zum Licht gedreht hatte, um die Ziffern besser sehen zu können. Es war durchaus möglich, daß sie dadurch stehengeblieben war.
    Ich ging nach draußen, um ein paar Schritte zu gehen. Vielleicht machte ich mir selbst was vor, aber ich war erstaunt, daß ich nicht das empfand, wovon ich annahm, daß man es normalerweise unter solchen Umständen empfindet. Ich war nicht erfreut, aber ich war auch nicht furchtbar bestürzt, vielleicht, weil ich seit sieben Jahren gewußt hatte, daß so etwas passieren würde.
    Ich wußte nicht, wie ich all meinen Freunden in Los Alamos gegenübertreten sollte. Ich wollte nicht, daß Leute mit langen Gesichtern mit mir darüber redeten. Als ich zurückkam (unterwegs hatte ich noch einen Platten), fragten sie mich, was geschehen sei.
    »Sie ist tot. Und wie läuft's mit dem Programm?«
    Sie kapierten sofort, daß ich nicht darüber jammern wollte.
    (Ich hatte offenbar irgendwelche psychologischen Vorkehrungen getroffen: Die Realität war so wichtig - ich mußte das, was eigentlich mit Arlene passiert war, körperlich erfassen -, daß ich erst einige Monate später, als ich in Oak Ridge war, weinte. Ich ging an einem Kaufhaus vorbei, das Kleider im Schaufenster hatte, und ich dachte, eines davon würde Arlene gefallen. Das war zuviel für mich.)
    Als ich an dem Rechenprogramm weiterarbeiten wollte, fand ich ein heilloses Durcheinander vor: Weiße Karten, blaue Karten, gelbe Karten, und ich setzte an: »Ihr sollt doch nicht mehr als ein Problem bearbeiten - nur ein Problem!« Sie sagten: »Raus, raus, raus. Warten Sie ab - wir werden alles erklären.«
    Ich wartete also ab, und was passierte, war folgendes: Wenn die Karten durchliefen, machte die Maschine manchmal einen Fehler, oder sie gaben eine falsche Zahl ein. Wenn das passierte, mußten wir gewöhnlich wieder von vorne anfangen. Aber ihnen war aufgefallen, daß ein Fehler, der irgendwo in einem Arbeitsgang unterläuft, sich nur auf die benachbarten Zahlen auswirkt, der nächste Arbeitsgang betrifft wiederum die benachbarten Zahlen, und so weiter. Dann zieht er sich durch den ganzen Packen Karten. Wenn man fünfzig Karten hat, und man macht einen Fehler auf Karte Neununddreißig, dann wirkt er sich aus auf Siebenunddreißig, Achtunddreißig und Neununddreißig. Der nächste auf Karte Sechsunddreißig, Siebenunddreißig, Achtunddreißig, Neununddreißig und Vierzig. Beim nächsten Mal breitet er sich aus wie eine Krankheit.
    Sie verfolgten also einen Irrtum ein Stück zurück, und dabei kamen sie auf eine Idee. Sie überlegten sich, nur einen kleinen Stapel Karten um den Irrtum herum durchrechnen zu lassen. Und weil zehn Karten schneller durch die Maschine geschickt werden konnten als der Stapel von fünfzig Karten, ließen sie rasch diesen anderen Stapel durchlaufen, während sie mit den fünfzig Karten mit der sich

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