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Sie kamen bis Konstantinopel

Sie kamen bis Konstantinopel

Titel: Sie kamen bis Konstantinopel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank S Becker
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als sie die verzückten Blicke der Umstehenden gewahrte.
    Plötzlich setzte ein Drängen ein, die Menge schob sich durch eine Türe in der Holzwand, die den östlichen Kreuzarm abschloss, der die eigentliche Kirche bildete. Pelagia blickte sich Hilfe suchend nach Urso um, doch in dem allgemeinen Geschubse war kein Entkommen möglich. Wie zusammengebundene Halme wurden die Gläubigen in die Kirche gepresst, deren Wände Mosaike und Ikonen bedeckten. Alle Augen waren gebannt nach vorne gerichtet, wo ein hagerer Priester die Kanzel bestieg.
    »Ihr seid an diesen ehrwürdigen Ort gekommen«, begann er mit tragender Stimme, »angezogen von der Glaubensstärke des seligen Simeon. Nun gibt es jedoch Neider und Zweifler, unter den Christen nicht minder als unter den Anhängern der sarazenischen Irrlehre. Diese höhnen, Simeon habe seine wunderbare Art der Askese nur aus Eitelkeit geübt. Auffallen wollte er, alle anderen Eremiten ausstechen. Wäre dem so, dann hätte er tatsächlich kein gottgefälliges Werk vollbracht, sondern die Todsünde der Eitelkeit auf sein Gewissen geladen.«
    Der Prediger blickte über die Menge, aus der gereiztes Gemurmel aufstieg, und fuhr dann fort. »Doch urteilt selbst, wenn ihr hört, welche Prüfungen der Selige frohen Herzens auf sich genommen hat.« Sein Blick glitt über die unzähligen Gesichter, die gespannt zu ihm aufsahen.
    »Vierzig Jahre stand er auf einer Säule, welche eine Elle breit war. Gebunden waren seine Füße und gefesselt wie im Block, so dass er weder zur Rechten noch zur Linken einen von ihnen umstellen konnte, bis die Knochen und die Sehnen seiner Füße sichtbar wurden durch die Qual, und sein Unterleib zerriss von dem Stehen. Seine Schüler sagten sogar, dass die Qual an seinem Unterleib schmerzhafter war, als an seinen Füßen. Von den Wirbeln des Rückens lösten sich drei durch das beständige Beten, indem er sich beugte und aufrichtete vor seinem Herrn, bis er seinen Kampf beschloss.«
    Der Prediger machte eine Pause, um dann leise zu fragen. »Macht das ein selbstsüchtiger Mann? Ein von Eitelkeit besessener Mann?«
    Gemurmel erfüllte die Kirche, aus dem einzelne »Nein!«-Rufe hervordrangen. Der Priester auf der Kanzel nickte zufrieden und fuhr mit beschwörender Stimme fort.
    »Simeon stand fest wie ein Held, war stark wie ein Athlet, widerstand jeglichen Nöten, spottete jeglicher Schmerzen, verachtete den Bösen, warf den Satan nieder, zerstreute seine Heere, zerstörte sein Lager und empfing die Krone des Sieges. Er band öffentlich seine Füße an die Säule, während er heimlich mit himmlischer Kraft gerüstet war. Das Fleisch seiner Füße sprang auf von dem Stehen, aber die Festigkeit seiner Gedanken flammte empor zu seinem Herrn. Die Wirbel seines Rückens lösten sich von dem anhaltenden Beten, aber fest wurde sein Sinn durch die Liebe zu Christus, seinem Helfer. Die harten Schmerzen seines Leibes machten ihn nicht verdrießlich, denn sein Denken flammte alle Zeit zu Gott empor! Er fürchtete sich nicht vor den Schlägen seines Leibes und gab seinem Körper auch nicht einen Augenblick Erholung. Seine Augen wurden schlaff vom Wachen, aber sein Geist war hell durch den Anblick seines Herrn. Er zog nämlich die Pein der Erleichterung vor, die Qual der Erholung, den Hunger der Sättigung. Er liebte und wünschte, in Pein zu sein in dieser Welt, um Christi willen, um mit ihm die Herrlichkeit zu erlangen in der heiligen Stadt.«
    Wieder pausierte der Priester, um mit verhaltener Stimme in die atemlose Stille zu fragen. »Verhält sich so ein selbstsüchtiger Mann? Ein von Eitelkeit besessener Mann?«
    Jetzt waren die Stimmen, die »Nein! Niemals!« riefen, schon zahlreicher. Der Prediger hob die Hand und rief: »So ist es. Aber es gefiel dem Herrn, dem Satan die Macht zu verleihen, den seligen Simeon zu prüfen wie einst Hiob. Und Folgendes begab sich …« Der Mann verstummte abermals, sah sich im Raum um, in dem nun gespannte Aufmerksamkeit herrschte.
    »Eines Tages, als er stand und betete, fuhr ein bitterer Schmerz in seinen linken Fuß. Während er noch wünschte, dass es Abend werde, wurde er bedeckt mit Geschwülsten. Als es hell war, brachen sie auf und eiterten, sie strotzten von Würmern und Eiter und der Geruch von Fäulnis ging aus von seinem Fuß und Würmer fielen von ihm auf die Erde. So angreifend und bösartig war der Geruch, dass niemand auch nur bis zur Mitte der Leiter hinaufsteigen konnte ohne Beschwerde. Diejenigen von seinen

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