'Sie können aber gut Deutsch'
als Leitkultur übernehmen, man muss nicht die eigene dagegen austauschen. Man muss aber bereit sein, hier Erfahrungen zu machen, neugierig zu sein auf die Menschen, mit denen, neben denen man lebt. Das kann auch eine Herausforderung sein, weil Kinder nun einmal nicht nur Kinderlieder und selbst gebastelte Laternen mit nachhause bringen, sondern auch Wünsche, Forderungen, die möglicherweise dem widersprechen, was ihre Familien ihr ganzes Leben lang gelebt haben. Dem zu begegnen, erfordert einen gewissen Lernprozess seitens der Eltern, auf den sie sich aber einlassen müssen, schließlich haben die Eltern die Auswanderung häufig auch um ihrer Kinder willen gewagt. In der Auseinandersetzung mit den eigenen Kindern und deren Wünschen, Erlebnissen, deren Selbstfindung in Deutschland, zwischen der Kultur des Elternhauses und der der Außenwelt, wie sie sie zum Beispiel in der Schule kennenlernen, können die Migranten-Eltern selbst lernen, sich in einem neuen Lebenskonstrukt zurechtzufinden. Indem sie versuchen, ihr mitgebrachtes
Leben mit dem Leben in diesem Land zu vereinen. Das bedeutet nicht, dass ein Vater, der von seinen Töchtern traditionellerweise erwartet, dass sie sich nur komplett bedeckt in die Öffentlichkeit begeben, nun plötzlich Geld für freizügige Bikinis spendieren muss. Es bedeutet aber, dass er seinen Töchtern, wenn sie dies denn wollen, einen Weg ermöglichen muss, Teil dieses neuen Lebens zu sein – also zum Beispiel Freunde außerhalb der Schule zu treffen. Dieser Lernprozess und das Finden von Kompromissen, sich überhaupt erst einmal die Notwendigkeit einzugestehen, dass man nicht komplett an Deutschland vorbeileben kann, ist unabdingbar.
Dass damit eine Akzeptanz des Grundgesetzes als der Grundlage unseres Zusammenlebens einhergeht, ist selbstverständlich, es ist die Basis, die unsere Demokratie zusammenhält.
Integrationsverweigerer, ein fragwürdiger Begriff. Vor allem deshalb, weil er in seiner Verwendung zu viele pauschal mit einschließt, zu einem Synonym für Probleme jeglicher Art geworden ist – angefangen bei mangelnden Sprachkenntnissen über schlechte Bildung bis hin zum Aussehen. So fragwürdig ich den Begriff oft finde – wer in diesem Land leben möchte, darf sich dem Land nicht verweigern. Darf sein Interesse, seine Anteilnahme, seine Offenheit den Menschen hierzulande nicht verweigern. Die Bereitschaft, aufeinander zuzugehen, muss eine beiderseitige sein, sie ist dennoch von denjenigen, die hier ankommen, in einem besonderen Maße einzufordern, sie ist sozusagen Voraussetzung für ein Leben hier.
Ein erfolgreiches Zusammenleben zwischen einzelnen Menschen, aber auch zwischen verschiedenen ethnischen oder religiösen Gruppen basiert nicht darauf, dass alle immer dieselbe Meinung haben, dieselben Bräuche pflegen, denselben Alltag leben. Aber es basiert auf Respekt und Interesse aneinander.
So wie man es oft auf privater Ebene lebt: Wenn mein Mann Musik macht, muss ich mit meiner absoluten Unmusikalität nicht mitmachen. Aber ich muss ihm den Freiraum dafür gewähren. Wenn ich mit meinen Freundinnen zum hundertsten Mal eine »Frauenserie« auf DVD anschaue, dann kann er sich liebevoll darüber lustig machen, er muss sich auch nicht dazusetzen, aber er muss akzeptieren, dass wir an diesem Abend das Wohnzimmer belagern. Das funktioniert auf gesellschaftlicher Ebene, wenn es um das Zusammenleben sehr vieler, sehr unterschiedlicher Menschen geht, nicht anders.
Es ist eigentlich recht einfach!
Ein Plädoyer gegen all diejenigen, die etwas tun möchten — für all diejenigen, die tun
Einmal im Monat treffen sich in einer mittelgroßen, bayerischen Stadt die Frauen des Katholischen Deutschen Frauenbundes. An diesem Tag lassen sie ihren Ehemännern wahrscheinlich ein schnell aufzuwärmendes Abendessen auf dem Herd stehen, schärfen ihren Sprösslingen ein, sich doch bitte zu benehmen und nicht zu spät ins Bett zu gehen, Mama habe doch nur diesen einen Abend im Monat, an dem sie etwas für sich tue, putzen sich ein wenig heraus (eine ambivalente Angelegenheit, dies: Einerseits geht es hier um ehrenamtliches Engagement und nicht um ein Gala-Dinner, andererseits, wenn man bedenkt, was Frau Kraus beim letzten Mal getragen hat, also, das ging ja gar nicht) und machen sich in ihrem Familienzweitwagen auf den Weg zu den anderen engagierten Katholikinnen. Es ist keine gesellschaftliche Spaßveranstaltung, zu der man sich da trifft, um Gottes willen, nein, das hier ist eine
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