Sie sehen dich
war hinreißend, eine absolut heiße Braut, aber im Moment sah ihr sonst so strammer Körper aus, als wollte er jeden Moment zerbröseln. Sie schlang die Arme um ihren Oberkörper.
Carson saß ihr gegenüber. Er versuchte, höhnisch zu grinsen, was den Schmerz in seiner Nase allerdings noch verschlimmerte.
»War das Adams alter Herr?«
»Ja.«
»Wir müssen die beiden loswerden.«
Sie schüttelte den Kopf.
»Was ist?«
»Du musst vor allem eins tun«, sagte sie. »Du musst mir das überlassen.«
»Du raffst das einfach nicht, was?«
Rosemary sagte nichts.
»Die Leute, für die wir arbeiten …«
»Wir arbeiten für niemand«, unterbrach sie ihn.
»Gut, nenn es, wie du willst. Unseren Partner. Unseren Händler. Scheißegal wie du sie nennst.«
Sie schloss die Augen.
»Das sind ziemlich finstere Gestalten.«
»Uns kann keiner was beweisen.«
»Natürlich können sie das.«
»Überlass das einfach mir, okay?«
»Kommt er her?«
»Ja. Ich werd mit ihm reden. Ich weiß, was ich tue. Und du solltest jetzt einfach gehen.«
»Damit du mit ihm allein bist.«
Rosemary schüttelte den Kopf. »Darum geht’s nicht.«
»Sondern?«
»Ich kann das regeln. Ich kann ihn zur Vernunft bringen. Überlass das einfach mir.«
Adam stand allein auf dem Hügel und hatte Spencers Stimme noch im Ohr.
»Das tut mir echt leid …«
Adam schloss die Augen. Die Nachrichten auf der Mailbox. Er hatte sie nicht gelöscht, hatte sie jeden Tag angehört und jedes Mal gespürt, wie der Schmerz ihn fast zerriss.
»Adam, bitte geh ran …«
»Verzeih mir, ja? Sag einfach, dass du mir verzeihst …«
Jeden Abend hatte er diese Worte im Ohr. Besonders den letzten Satz, den Spencer nur noch unter Schwierigkeiten herausbekommen hatte, weil es mit ihm schon zu Ende ging.
»Es geht nicht gegen dich, Adam. Okay, Mann. Du musst das verstehen. Es geht gegen niemand. Das ist einfach zu heavy. Das war schon immer zu heavy …«
Adam stand auf dem alten Hügel bei der Mittelschule und wartete
auf DJ Huff. DJs Vater, Captain bei der hiesigen Polizei, der auch hier aufgewachsen war, hatte gesagt, dass er sich als Jugendlicher hier oben nach der Schule zugedröhnt hatte. Die harten Jungs hatten immer hier oben abgehangen. Die meisten anderen hatten einen Umweg von mehr als einem Kilometer gemacht, um nicht hier vorbeizukommen.
Er sah hinab. Dahinten lag der Fußballplatz. Mit acht hatte Adam da ein paar Ligaspiele gemacht, aber Fußball war nicht sein Ding. Er mochte das Eis. Er mochte die Kälte und das Gleiten auf den Schlittschuhen. Er mochte die vielen Polster, die Maske und die Konzentration, die man als Torwart brauchte. Da war man der wichtigste Mann. Wenn man gut genug war und perfekt spielte, dann konnte die eigene Mannschaft gar nicht verlieren. Die meisten Jugendlichen hassten diesen Druck. Adam blühte unter ihm erst richtig auf.
»Verzeih mir, ja? …«
Nein, dachte Adam jetzt, du musst mir verzeihen.
Spencer war schon immer extrem launisch gewesen, mit schwindelerregenden Hochstimmungen und erdrückenden Depressionen. Er hatte erzählt, dass er ausreißen wollte, eine Firma gründen, aber vor allem sprach er übers Sterben und davon, dem Leid ein Ende zu setzen. Bis zu einem gewissen Grad machten das alle Jugendlichen mal. Im letzten Jahr hatte Adam sogar noch einen Selbstmordpakt mit Spencer geschlossen. Aber für ihn waren das nur leere Worte gewesen.
Er hätte wissen müssen, dass Spencer das ernst meinte.
»Verzeih mir …«
Hätte er etwas ändern können? An dem Abend schon, ja, das hätte er. Sein Freund hätte noch einen Tag länger gelebt. Und dann vielleicht noch einen. Und was dann passiert wäre, wusste kein Mensch …
»Adam?«
Er drehte sich um. DJ Huff stand hinter ihm.
DJ fragte: »Ist mit dir alles okay?«
»Nee, und das ist deine Schuld.«
»Ich konnte doch nicht wissen, dass das passiert. Ich hab nur gesehen, dass dein Dad mir gefolgt ist, und da hab ich Carson angerufen.«
»Und du bist abgehauen.«
»Ich konnte doch nicht wissen, dass sie ihn fertig machen.«
»Was hätte denn deiner Meinung nach sonst passieren sollen, DJ?«
Er zuckte die Achseln, und da sah Adam es. Die rot angelaufenen Augen. Die dünne Schweißschicht. Und das leichte Schwanken.
»Du bist high«, sagte Adam.
»Na und? Ich raff das nicht, Mann. Wieso hast du das deinem Vater erzählt?«
»Hab ich nicht.«
Adam hatte den Abend bis ins Detail geplant. Er war sogar im Spionageladen in Manhattan gewesen. Er
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