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Sie waren zehn

Sie waren zehn

Titel: Sie waren zehn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Mit Wasser haben sie mich wieder aufgefüllt, mit reinem Wasser … und es ging von neuem los, pfrr … pfrr … ein neuer Eimer. Genossen, ich muß gestehen, es ist ein scheußliches Gefühl, da zu sitzen und sich zu sagen: Jetzt scheißt du dich tot! Gleich kommt die Leber 'raus – und dann die Milz – hoppla, war das schon die Galle? Selbst im Gehirn zieht es nach unten … Du läufst einfach aus. – Das ist das Sumpffieber. Unheilbar. Jeden Augenblick kann es losgehen, auch jetzt … wie ein Blitz haut es ein, man ist machtlos dagegen. Mit einem Zittern fängt es an, dann rasseln wieder die Zähne … Ich bin wirklich ein Invalide, auch wenn ich gesund aussehe. Wer kann in mich hineinblicken?«
    Es würde keiner im Abteil sein – soll man wetten? –, der Tarski nicht bedauerte und weitere Fragen stellte. So konnte man, umgeben von mitleidender Freundschaft, nach Moskau kommen.
    Beim rotgoldenen Sonnenaufgang machte sich Tarski auf den Weg nach Wolokolamsk. Nach vier Stunden Wanderung quer durch Wälder und Felder, bei der er nur sechs Fuhrwerken mit Frauen begegnete, denen er freundlich zuwinkte, erreichte er das Ufer des Flüßchens Lama. Hier ruhte er sich aus, legte seine Kleider ab, schwamm in dem noch kalten Wasser, ließ sich von der Morgensonne trocknen und überlegte den Fortgang seines Weges.
    Es gab wieder zwei Möglichkeiten: Über den Fluß Lama hinüber und weiter durch die Landschaft mit einem flachen Bogen nach Süden bis Wolokolamsk, oder direkt auf die Straße, die von Rshjew kam. Das war der nähere, aber auch gefahrvollere Weg.
    Tarski blinzelte in die Sonne und fand wiederum, daß er unglaubliches Glück gehabt hatte. Im Schulungsraum von Eberswalde und bei von Rennebergs Vorträgen und Mildas Gedächtnistraining, da hatte alles sehr kompliziert ausgesehen. Wenn jemand zu einem sagt: Du wirst nach Rußland geflogen, springst irgendwo ab und mußt dich bis Moskau durchschlagen – dann hört sich das an, als wollten sie einen über der Hölle absetzen. Das Herz macht einen Sprung und trommelt gegen die Rippen. Aber nun ist man hier, liegt an einem murmelnden Flüßchen in der Sommersonne, hat im kalten klaren Wasser geschwommen, streckt sich tatsächlich auf russischem Boden aus, weit hinter der Front der Roten Armee, läßt sich die himmlische Wärme auf den Bauch scheinen, und alle Angst, die man beim Schweben am Fallschirm noch geschluckt hat, jawohl, es war Angst, Oberst von Renneberg, alles ist verdaut und vergessen.
    Ein nackter Russe liegt in der Sonne und will nachher nach Moskau fahren. Was ist daran so ungewöhnlich, Genossen? Tarski gönnte sich ein knappes Stündchen paradiesischen Friedens. Er hatte Zeit. Es kam nicht darauf an, im Eiltempo Moskau zu erreichen; Sicherheit ging vor. Er zog sich gar nicht erst an, sondern wanderte nackt am Ufer der Lama entlang, um eine Stelle zu finden, wo die Strömung nicht allzu stark war, so daß man ans andere Ufer schwimmen konnte. Eine Stelle, wo eine kleine Sandbank im Fluß lag, schien Tarski am besten geeignet. Er schätzte die Breite des Flusses auf knapp 150 Meter, was für einen russischen Fluß nicht viel ist, verknotete seine Kleidung zu einem Bündel, band sich dieses mit einem Gürtel auf den Kopf und watete ins Wasser. Die Strömung war, das hatte er beim Baden schon gemerkt, an den Uferrändern stärker als in der Mitte, als wolle die Lama ihr Bett erweitern und sich neue Freiheit aus dem Land heraussägen.
    Tarski trieb etwas ab, schwamm dann mit langen Zügen zur Sandbank und machte dort Station. Jenseits der Bank erwischte ihn eine tückische Unterströmung … sie trug ihn flußabwärts, schneller, als ihm lieb war, er kämpfte dagegen an, trat das Wasser unter sich weg und strebte dem anderen Ufer zu. Prustend und den Fluß verfluchend, der selbst einem so guten Schwimmer wie ihm Mühe gemacht hatte, obgleich er so friedlich dahinzufließen schien, wenn man ihn vom erhöhten Böschungsufer aus betrachtete, landete Tarski auf der anderen Seite an einer Krümmung, wo die Lama das Land herausgerissen und eine kleine Steilwand geschaffen hatte. Hier hat das Eis gehobelt, dachte Tarski und dehnte sich zufrieden. Wie Messer können die Schollen sein, wenn im Frühjahr die Eisdecke aufreißt und sich die Bruchstücke aufeinandertürmen, mitgerissen von der Strömung, die dann niemand mehr bändigen kann.
    Er knüpfte sein Kleiderbündel auf, schüttelte die Hosenbeine aus und wollte sein Hemd überstreifen, als über ihm ein

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