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Sie waren zehn

Sie waren zehn

Titel: Sie waren zehn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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sei ein Weib! Ein Satan ist es! Feuer spuckt sie aus sich heraus, und weg bist du, verbrannt! Sag, man kann das nicht reparieren!«
    Plejin schüttelte den Kopf, drehte die Drahtenden zusammen und drückte sie mit der Zange fest. »Ich bleibe«, flüsterte er zurück. »Vielen Dank für alles, Väterchen.«
    Abram war schon lange in der Ferne des Weges verschwunden – nur ein Haufen Pferdeäpfel, wie zum Protest von dem alten Gäulchen dampfend neben dem weiblichen Leutnant abgeworfen, erinnerte noch an ihn – als Plejin mit seiner Flickarbeit fertig war. Er lehnte sich gegen den Kühler, rieb die ölverschmierten Hände und sagte mit jungenhaftem Strahlen: »Fertig!«
    »Endlich!« Der weibliche Leutnant schwang sich auf den Fahrersitz. Plejin rubbelte die Hände durch das Gras, aber das fettige Öl ließ sich nicht abstreifen. Der Motor heulte auf, ein heftiges Rütteln durchzog den Jeep.
    »Nicht zuviel Gas!« schrie Plejin. »Und vergessen Sie nicht – das war eine Notoperation!«
    »Einsteigen!« befahl sie und blickte starr geradeaus. Die Milizionäre kletterten in den Wagen und grinsten Plejin dankbar an. »Sie auch!«
    »Bin ich noch immer verhaftet?!«
    »Haben Sie etwas anderes gehört?!« Sie winkte, der Milizionär an ihrer Seite wechselte auf die Hinterbank, dann klopfte sie auf den Sitz und warf einen schnellen Blick auf Plejin. »An meine Seite! Sie wollen doch nach Michailowskoje! Oder sind Sie ein fanatischer Wanderer?«
    »Es wird für mich ein Erlebnis sein.« Er setzte sich neben den weiblichen Leutnant und hielt die öldreckigen Hände von sich. »Ich bin noch nie in einem Jeep gefahren. Übrigens: Jetzt leuchtet nur noch ein Scheinwerfer! Ich habe einen Draht gebraucht …«
    »Dieses Mistzeug von Auto gebe ich in Michailowskoje ab! Damit fahre ich nicht weiter nach Moskau!«
    Plejin blickte auf seine Hände und spürte, wie sein Herz schmerzte. Moskau. Sie fährt nach Moskau! Wie stellt man es an, daß sie mich mitnimmt! Gibt es etwas Sichereres?! In Begleitung der Miliz rücke ich in Moskau ein! Wenn das Oberst von Renneberg sehen könnte – in seinen Stiefeln würde er schwimmen, so viel Angstschweiß flösse aus ihm heraus!
    »Moskau –«, sagte er verträumt. Der Jeep machte einen Satz und ratterte dann über den holprigen Weg. Der weibliche Leutnant nickte. Ich weiß: weniger Gas! Laß bloß das Kritisieren, Freundchen!
    »Ich muß nach Moskau.«
    »Was müssen Sie?« Sie schielte zu ihm hin. »Ein Lügner sind Sie!«
    »Wieso, Genossin?«
    »Sie haben nicht gesungen! Sie können gar nicht singen. Nur dumm reden!«
    »Was wollen Sie hören?«
    »Nichts!«
    »Zauberflöte?« Er sah sie voll an. »›Dies Bildnis ist bezaubernd schön …‹? Oder ›Manon Lescaut‹: ›Wo lebte wohl ein Mädchen, herrlich wie sie …‹? Noch besser: ›Walküre‹: ›Winterstürme wichen dem Wonnemond …‹ – Sie können sich etwas wünschen, Genossin.«
    »Ich heiße Ljudmila Dragomirowna Tscherskasskaja –«, sagte sie plötzlich völlig unlogisch. Plejin nickte. Anders konnte es gar nicht sein, dachte er. Kein anderer Name paßt zu ihr. Tscherskasskaja … Da weht der Wind über die Steppe, da biegen sich die Gräser, da zittert die Erde unter den Hufen der Pferdeherden, da glühen die Feuer in den Auls und treiben die Wolken unter dem unendlichen Himmel. Ljudmila Dragomirowna Tscherskasskaja … welch ein Klang!
    »Was wollen Sie in Moskau?« fragte sie und fuhr langsamer, weil er, Halt suchend, seine Beine gegen das Bodenblech stemmte.
    »Die Armeeärzte haben mich aus der Front gezogen und zu Spezialisten nach Moskau geschickt. Ich gebe es zu – ich habe einen Bogen gemacht und habe meinen Onkel besucht, meinen einzigen Verwandten. Weiß man, ob man ihn jemals wiedersieht? Sie haben mich nun beim Anmarsch auf Moskau überrascht, Ljudmila Dragomirowna. Mein Risiko, wenn Sie mich nun anzeigen wollen.«
    Die Tscherskasskaja blickte ihn voll Interesse an. Ihre Bernsteinaugen glitzerten in der Sonne, die ihr voll ins Gesicht fiel, wie flüssiger Honig. »Sie sind krank, Nikolai Antonowitsch? Was haben Sie?«
    »Ich leide unter Drillingen!«
    Plejin klammerte sich an der Windschutzscheibe fest. Ljudmila hatte voll aufs Gas getreten, ihr Gesicht war wie ein olivener Stein. Für sie war diese Antwort eine neue Provokation; sie überlegte allen Ernstes, ob sie diesen Plejin jetzt nicht aus dem Jeep stoßen sollte, ohne Rücksicht, ob er sich dabei die Knochen brach oder gar den Hals.
    »Gas weg!«

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