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Sie waren zehn

Sie waren zehn

Titel: Sie waren zehn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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steht, erschlagen.«
    Sie starrten ihn alle entgeistert an, nur der kleine Plejin machte einen Sprung nach vorn, als hätten die Dielen zu brennen begonnen.
    Wie man es hätte voraussehen können: Zwei spielende Kinder fanden den toten Wolnow. Ihr Ball rollte in das Gebüsch. Zunächst blieben sie erstaunt stehen, eines der Mädchen steckte verlegen den Daumen in den Mund, denn wenn es im Zoo auch viele fremde Tiere zu sehen gab und man hier, jenseits des Zaunes, das Brummen, Brüllen und Zwitschern aus dem Garten hörte, so kam es ihnen doch merkwürdig vor, daß ein Mensch in einer schönen Uniform so einfach auf der Erde liegt. So etwas gehört nicht in einen Zoo, das spürten sie. Vorsichtig holten sie den kleinen Ball unter dem Knie des fremden Mannes hervor, und dann liefen sie weg zu ihren Babuschkas. Die saßen auf einer Bank in der Sonne, strickten aus Wollresten Socken und unterhielten sich über vergangene Zeiten. Es waren trübe Erinnerungen; Rußlands Weg in die helle sozialistische Sonne war für sie bisher nur voller Nebel gewesen.
    Dieses Mal reagierte die Miliz sehr schnell.
    Nach den üblichen Fotos wurde Wolnow abtransportiert. Die Kinder und die Babuschkas lernten eine Milizstation kennen und einen strengen Offizier, der ihnen androhte, sie sofort deportieren zu lassen, wenn auch nur ein Ton von dem Fund bekannt würde. Dann mußten die Mütterchen unterschreiben, was sie nicht begriffen, aber es mußte etwas sehr Wichtiges und Gefährliches sein, denn der Genosse Offizier legte das Blatt Papier in eine rote Mappe. Dann durften sie wieder gehen und schworen sich auf der Straße, nie wieder in der Nähe des Zoos in der Sonne zu sitzen. Genug Bänke gibt es in Moskau, ihr Lieben …
    Oberst Smolka verspürte Herzstiche, als man ihm meldete, daß eine neue Leiche ins Haus kam. Diesmal aber kein deutscher, sondern ein sowjetischer Offizier. Ganz offensichtlich ein Mord. Genickbruch, Riß der Halsschlagader. Das erste: sofort tödlich; das zweite: langsames Verbluten nach innen. Smolka fuhr mit dem Lift sofort in den Keller. Der Tote sah noch aus, als schliefe er. Nur der getrocknete Gemüsebrei in seinem Haar und auf der Uniform paßte nicht zu dem Bild. »Major Iwan Michailowitsch Wolnow –« sagte der Milizleutnant, der die Leiche abgeliefert hatte. Er reichte Smolka den Bericht. Der Oberst steckte ihn in die Rocktasche und ging langsam um den Toten herum. Dann nickte er und wandte sich zum Ausgang.
    »Er bleibt noch hier!« sagte er.
    Wieder in seinem Zimmer, rief er General Radowskij an. Jefim Grigorjewitsch seufzte, als sich Smolka meldete.
    »Eine Laus ist ein Wanderfalke gegen Sie, Igor Wladimirowitsch. Ich habe Stalin heute noch gar nicht gesehen!«
    »Die Deutschen haben zugeschlagen, Genosse General.«
    »Wo denn? Ich höre gerade, daß unsere 3. Armee in Minsk eingedrungen ist …«
    »In Moskau!«
    »Ah! Ihre Geistertruppe von deutschen Offizieren! Ich kann Ihnen versichern: Stalin lebt!«
    »Major Wolnow ist durch Handkantenschläge getötet worden. Der Genosse Wolnow war vor drei Wochen als Ordonnanzoffizier dem Großen Stab zugeteilt worden …«
    »Smolka, das ist ungeheuerlich!« Radowskijs Stimme überschlug sich. »Wer weiß schon davon?«
    »Nur eine ganz kleine Gruppe.«
    »Wo hat man ihn erschlagen?«
    »Gefunden wurde er in einem Gebüsch am Zoo. Von spielenden Kindern. Das ist aber nicht der Tatort, sondern der Ablageort. Aus einem Gebüsch regnet kein Gemüse …«
    »O Wodka, gnadenlos ist deine Freundschaft …«, sagte Radowskij.
    »Nicht einen einzigen Tropfen bis zur Stunde, Genosse General«, sagte Smolka überzeugend. »Nicht einmal geschnuppert … Major Wolnow wurde erschlagen, wo man Kohlgemüse mit Fleischröllchen gegessen hat. Also in einem geschlossenen Raum. Von dort hat man den Toten weggebracht und in das Gebüsch am Zoo gelegt. So etwas kann nur nachts geschehen.«
    »Sie reden in Rätseln, Igor Wladimirowitsch. Erklären Sie mir das Gemüse!«
    »Wolnows Kopf und die Vorderseite seiner Uniform waren mit Gemüsebrei bedeckt.«
    »Erstaunlich! Hat er wie ein Schwein aus einem Trog gefressen?«
    Smolka hatte in diesen Minuten keinen Sinn für makabren Humor. Radowskijs Ton empfand er sogar als schmerzhaft. »Es ist denkbar, daß ihm jemand eine Schüssel oder einen Teller mit Gemüse ins Gesicht geworfen hat. Die Haut ist an zwei Stellen aufgeschrammt.«
    »Smolka, können Sie sich vorstellen, daß ein sowjetischer Offizier mit Gemüse um sich wirft?! Was

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