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Sie waren zehn

Sie waren zehn

Titel: Sie waren zehn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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wenn der Russe am Brandenburger Tor seine Lagerfeuer entzündet. – Sie sollen noch in diesem Monat in Rußland abgesetzt werden! Es ist brandeilig, meine Herren! Ein Wettrennen zwischen der sowjetischen Offensive und Ihnen!«
    »Wer ist hier der Hase und wer der Igel?« fragte Kuehenberg.
    »Sie sind zehn … Sie müßten also der Igel sein.«
    »Die anderen sind 1,5 Millionen!« sagte von Ranowski. »Ein sehr überlastiges Verhältnis.«
    Renneberg schloß den Schnellhefter, er war leer. »Ich bitte Sie, von jetzt ab nur noch Russisch zu sprechen und sich mit Ihren russischen Namen anzureden.« Und plötzlich, zum allgemeinen Erstaunen – nur Hansekamm war nicht verblüfft, er kannte ja genau den Ablauf der Dinge –, sprach von Renneberg auf russisch weiter: »Bis zu unserer Fahrt nach Frankfurt/Oder lesen Sie Ihre Papierehen, Genossen. Dann verbrennen wir sie.«
    »Hüten werde ich mich!« sagte Solbreit. Auch im Russischen behielt er sein Maulwerk, unbefangen und polterig. »So ein schönes Blatt Papier! Wo denken Sie hin, Genosse?! Das gibt zwanzig Papyrossi, mindestens. Aber nichts gegen eine Zeitung! Am besten schmeckt die Prawda.«
    »Sehr gut!« lobte Renneberg und lachte.
    Solbreit starrte den Oberst mit zusammengekniffenen Augen an. »Sage ich ja, Genosse. Sehr gut! Schmeckt sehr gut! Aber warum lachen Sie dabei?«
    Am Abend, beim Essen an dem langen Tisch, bediente nicht mehr die Ordonnanz. Ein russischer Gefangener, den man aus einem Lager bei Berlin geholt hatte, war zum Servierdienst eingeteilt. Mit verwirrten Blicken bediente er die zehn sowjetischen Offiziers-Genossen, die zusammen mit den beiden deutschen Offizieren an einem Tisch saßen und zulangten, daß einem die Augen überliefen. Nur Sachen, von denen man träumt. Einen Braten vom jungen Ochsen mit einer Soße aus Sahne, dazu Blumenkohl und dicke, weiße Kartoffeln. Und hinterher Pudding mit Himbeersoße. Kein gesäuerter Kohl, keine glitschigen Blinis aus minderwertigem Mehl, mit Zwiebelgemüse gefüllt, weil's kein Fleisch gab, und auch kein Kipjatok – das ist einfaches heißes Wasser – als Nachtisch. Das füllt den Magen, täuscht Sättigung vor und wärmt die verzweifelte Seele. Nein! Sie sitzen da und fressen sich mit lauter Köstlichkeiten voll. Sowjetische Offiziere!
    Der russische Kriegsgefangene trug auf, trug ab, klaute auf dem Rückweg zur Küche das übriggebliebene Fleisch von der Platte und leckte die Glasschüsselchen, in denen der Pudding mit der Himbeersoße gewackelt hatte, so sauber, als habe man sie unter heißem Wasser gespült.
    Ausnutzen muß man so was, Genossen! Das kommt so schnell nicht wieder, dieses Glück. Im Lager nur Suppen oder Gemüsebreie, ein Kanten Brot und die schwabbelige Marmelade, gut, man konnte davon leben, man verhungerte nicht, man leckte nicht die Ölfarbe von den Wänden – aber wer weiß, wie lange es noch so geht? Schlecht sieht es aus mit den Deutschen.
    Viele Parolen flattern durch die Baracken, man hört hier und da was von draußen und braut sich daraus etwas zusammen. Aber da muß man sich doch fragen, was machen die zehn Genossen Offiziere dort oben im Zimmer und warum können sie fressen, wie's der Zar nicht besser hatte?
    Der Kriegsgefangene lieferte seine leeren Teller und Platten ab. Der Küchenfeldwebel, ein Koch aus Dortmund, der nicht wußte, wer ein Stockwerk höher am Tisch saß, sondern nur Befehl hatte, für zwölf Mann exquisit zu kochen, und der dafür Sonderzuteilungen erhielt, die ihn ebenso wunderten wie den russischen Kriegsgefangenen, starrte auf das Tablett.
    »Alles gefressen?« schnaufte er.
    »Ich nix!« schrie der Russe. »Offiziere wie Wölfe!«
    »Die lecken nicht die Teller ab, Iwan! Zunge 'raus! Mich anhauchen! Hch , hch – anhauchen, du Rindvieh!« Der Küchenfeldwebel zog den Russen zu sich heran und schnupperte an dessen Mund. »Vanillepudding! Also doch! Und das restliche Fleisch haste auch gefressen!«
    Er gab dem Russen eine schallende Ohrfeige und trat ihm auch noch in den Hintern.
    Gut, gut, dachte Dementi Jefimowitsch Awilow . Von Beruf war er Elektriker. Gib mir Ohrfeige, Feldwebel, tritt mich ins Gesäß … Aber ich bin satt! Und wenn das hier noch ein paar Tage andauert, fresse ich mich auf Vorrat voll. Kannst schlagen, soviel du willst, deutscher Feldwebel; was im Magen ist, kommt nicht wieder raus. Das ist gut eingerichtet von der Natur.
    Er stellte sich an die Zinkwanne und spülte das abgeleckte Geschirr in heißem Sodawasser.
    Zehn

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