Sieben Jahre später
schaltete sich Nikki ein: »Heißt das, Decker hat Jeremy vorgeschlagen, in seiner Bar Poker zu spielen?«
»Ja, und das hat dieses fette Schwein dann bitter bereut. Jeremy und ich haben ihm fünftausend Dollar abgeknöpft. Und zwar ganz legal.«
Simon war wieder etwas selbstsicherer geworden. Er strich sein T-Shirt glatt und fuhr fort: »Diese Demütigung hat Decker nicht verkraftet. Weil er uns das Geld nicht geben wollte, haben wir beschlossen, bei ihm einzubrechen, um ihm den Koffer zu klauen, in dem er seine Kohle aufbewahrt.«
Der Pokerkoffer aus Alu …
Nikki und Sebastian sahen sich verblüfft an. Ihnen wurde augenblicklich klar, dass der Diebstahl dieses Koffers das ganze Desaster ausgelöst hatte.
»In dem Ding war etwa ein Kilo Koks!«, schrie Sebastian.
Simon riss verwundert die Augen auf. »Nein …«
»In den Jetons versteckt«, erklärte Nikki.
»Davon haben wir nichts gewusst«, verteidigte sich der Junge. »Wir wollten uns nur das Geld holen, das Drake uns schuldete.«
Constance hatte der Diskussion schweigend gelauscht und versucht, den Ablauf der Ereignisse zu verstehen. Langsam fügten sich die Teile des Puzzles zusammen, doch etwas stimmte nicht.
»Sag mal, Simon, wann habt ihr den Koffer geklaut?«
Der Junge überlegte. »Genau vor meiner Abreise nach Frankreich, das war vor zwei Wochen.«
»Und hattet ihr keine Angst, dass Decker sich rächen würde, wenn er den Diebstahl bemerkt?«
Simon zuckte die Achseln. »Da bestand keine Gefahr, denn außer unseren Vornamen wusste er nichts von uns. Und Brooklyn zählt zweieinhalb Millionen Einwohner!«, erklärte er überzeugt.
Constance ignorierte die Bemerkung. »Du sagst, Decker hätte euch fünftausend Dollar geschuldet. Wie viel war in dem Koffer?«
»Etwas mehr«, gab Simon zu. »Es waren etwa siebentausend, die wir, unserem Gewinn entsprechend, unter uns aufgeteilt haben. Wir waren nicht unzufrieden über diesen kleinen Bonus. Außerdem brauchte Jeremy Geld, um seinen Plan zu finanzieren, und …« Er hielt mitten im Satz inne.
»Und was?«, beharrte Constance.
Verlegen senkte Simon den Kopf. »Ehe er Sie hier in Paris treffen würde, wollte er ein paar Tage nach Brasilien …«
Brasilien …
Nikki und Sebastian sahen sich beunruhigt an. Als sie vor zwei Tagen vor der Schule mit Thomas gesprochen hatten, hatte dieser eine Brasilianerin erwähnt, die Jeremy via Internet kennengelernt habe.
»Das hat er mir auch erzählt«, bestätigte Simon. »Nachts chattete er mit einer schönen Carioca. Sie haben sich über die Facebook-Seite der Shooters kennengelernt.«
»Der Rockgruppe? Warte mal, das kann doch nicht sein«, unterbrach Nikki ihn. »Die Shooters sind nicht Coldplay, sie spielen in kleinen, halb leeren Sälen und abgelegenen Klubs. Wie soll ein Mädchen aus Rio de Janeiro Fan dieser unbekannten Gruppe sein?«
Simon winkte ab. »Heute mit Internet geht alles …«
Sebastian seufzte. Trotz seiner Erregung fragte er ruhig: »Und kennst du dieses Mädchen?«
»Sie heißt Flavia. Den Fotos nach zu urteilen, ist sie ziemlich heiß.«
»Du hast ein Foto?«
»Ja, Jeremy hat ein paar auf Facebook gepostet«, sagte er und holte seinen Laptop aus der Tasche.
Er loggte sich via WLAN bei Facebook ein und öffnete mit ein paar Mausklicks eine Seite, die Fotos eines bildhübschen Mädchens zeigte. Eine blauäugige Blondine mit aufregender Figur und leicht gebräunter Haut.
Constance, Nikki und Sebastian beugten sich über den Bildschirm und musterten die junge Brasilianerin, deren Schönheit zu perfekt war: Ein Gesicht wie das einer Barbiepuppe, schmale Taille, üppiger Busen, gelocktes Haar. Die Fotos zeigten das Pin-up-Girl in verschiedenen Posen: Flavia am Strand, Flavia auf dem Surfbrett, Flavia mit einem Cocktail, Flavia mit Freundinnen beim Beachvolley, Flavia im Bikini auf dem warmen Sand …
»Was weißt du noch über sie?«
»Ich glaube, sie arbeitet in einer Cocktailbar am Strand. Jeremy hat mir erzählt, sie würde auf ihn stehen und hätte ihn für ein paar Tage zu sich nach Hause eingeladen.«
Sebastian schüttelte den Kopf. Wie alt mochte diese blonde Schönheit sein? Zwanzig, zweiundzwanzig? Wie sollte man glauben, dass dieses Mädchen sich in einen fünfzehnjährigen Jungen verknallt hatte?
»Weißt du, welcher Strand das ist?«, fragte Nikki.
Constance klopfte auf den Bildschirm. »Ipanema«, versicherte sie.
Sie zoomte in einen Abschnitt des Bildes hinein, und man erkannte hinter dem Strand eine Landschaft
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