Sieg der Leidenschaft
ihrer kleinen Nichte. »Kommt, wir gehen nach oben ins Kinderzimmer. Da habe ich früher gespielt. Seid ihr schon einmal auf einem Schaukelpferd geritten? Das hat ein Freund eures Großonkels für mich geschnitzt, als ich noch ein kleines Mädchen war ...«
Hinter ihr betraten die Männer das Haus, aus der Bibliothek rief die Mutter nach ihr. Aber Tia gab vor, nichts zu hören und führte die Kinder in den Oberstock hinauf. Als sie an der geschlossenen Tür von Ians Zimmer vorbeikam, nahm sie an, ihre Schwägerin würde immer noch schlafen, erschöpft von der langen Reise quer über die Halbinsel nach Tampa Bay. Bei Alainas Ankunft hatte Tia sich sofort um die Kinder gekümmert und dem Ehepaar ein besonderes Weihnachtsgeschenk gemacht, das dankbar angenommen worden war - nach der langen Trennung ein paar ungestörte Stunden zu zweit. Tia hatte ihren Neffen und ihre Nichte bereits gekannt, da Julians Rebellenlazarett im Kiefernwald am St. Johns River nicht weit von der Yankee-Stellung St. Augustine entfernt gewesen war, wo Ians Familie wohnte. Als sie den Kindern an diesem Nachmittag vor dem Heiligen Abend ein Märchen vorlas, langweilte sich Sean. Deshalb war er aus dem Haus gerannt und so hatte das Verhängnis seinen Lauf genommen.
Im Zimmer am Ende des Flurs stapelten sich Bilderbücher, Spielzeug und Puppen. Tias Eltern hatten nichts in diesem Raum verändert und alle Sachen für ihre Enkel verwahrt. In der Mitte stand das Schaukelpferd. »Dieses edle Schlachtross hast du noch nie geritten, Sean. Probier's mal aus!«, forderte Tia den kleinen Jungen auf.
Das ließ er sich nicht zwei Mal sagen. Während sie in einen Sessel sank und die schläfrige Ariana auf ihrem Schoß festhielt, kehrten ihre Gedanken zu dem Yankee zurück.
Jetzt hatte der namenlose Feind einen Namen. Und er war ein Gast in ihrem Elternhaus ...
»Attacke!«, krähte Sean und zerrte an den Zügeln des Schaukelpferds. »Attacke!«
Als sich die Tür des Kinderzimmers öffnete, stockte ihr Atem.
»Tia?«
Beruhigt seufzte sie auf. Ihre schöne blonde Schwägerin kam herein, ebenso wie Tia eine überzeugte Rebellin, die harte Kämpfe hinter sich hatte.
»Vielen Dank ...«, begann sie.
Mahnend legte Tia einen Finger an die Lippen, zeigte auf die schlafende Ariana und Alaina nahm ihre kleine Tochter in die Arme.
Über dem Kopf des Kindes lächelte sie Tia an. »Wie glücklich muss ich mich schätzen ...«, flüsterte sie. »Viele Ehefrauen haben ihre Männer seit dem Beginn dieses Wahnsinns nicht mehr gesehen. Trotzdem - Ian ist viel zu selten bei mir und ich lebe in ständiger Angst. Nach jeder Schlacht...«
»... wartest du voller Hoffen und Bangen auf die Listen der Toten und Verwundeten«, vollendete Tia den Satz.
»So ist es ... Jetzt lege ich Ariana in ihr Bettchen, dann hole ich Sean.«
»Lass dir nur Zeit.«
»Viel Zeit haben wir nicht. Gerade ist Raymond Weir mit seinem Adjutanten eingetroffen. Deine Eltern servieren den Gästen Drinks in der Bibliothek und deine Mutter lässt uns bitten, möglichst bald nach unten zu kommen. Taylor ist auch schon da.«
»Kennst du ihn?«, fragte Tia überrascht.
»Natürlich, er ist ein Vetter zweiten Grades von Sydney, Jerome und Brent, und er war oft bei deinem Onkel James. Seid ihr euch nie begegnet?«
»Doch, als ich ein Baby war ... Das hat Ian mir erzählt«, fügte Tia rasch hinzu.
»Eigentlich wollte er sich von Florida fern halten. Für ihn war es sicher schwierig, hierher zu kommen. Bitte, du darfst ihn nicht hassen, nur weil er für die Yankees kämpft. Er ist ein außergewöhnlicher Mann. Früher habe ich sogar für ihn geschwärmt.«
»Wie nett«, murmelte Tia.
Alaina bemerkte den Sarkasmus nicht. »Seltsam, dass du ihn in all den Jahren nie getroffen hast ... Auf der Militärakademie war er eine Klasse über Ian. Und kurz nach Kriegsausbruch dienten die beiden unter General Magee, aber in verschiedenen Kompanien.«
»Wundervoll ... Also ist er mit meinen Kusinen und meinen Vettern verwandt und ein Freund meines Bruders.«
»Ja - ein gutes Omen für seine Verhandlungen mit Ray Weir. Alles müsste glatt verlaufen und wir können ein friedliches Weihnachtsfest feiern.«
Unwillkürlich erwiderte Tia das ansteckende Lächeln ihrer Schwägerin. Dann trug Alaina ihre kleine Tochter aus dem Zimmer, und Tia wandte sich zu Sean, der immer noch auf dem Schaukelpferd saß.
»Attacke!«, rief er wieder und schwenkte ein imaginäres Schwert durch die Luft. »Mein Vater ist ein
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