Sieg der Leidenschaft
für Sie geschwärmt - bei den schönen Partys auf Cimarron. Da haben Sie getanzt und gelacht und waren so nett zu all den jungen Männern, sogar zu armen, hässlichen Jungs wie mir.«
»Unsinn, Canby, Sie waren weder hässlich noch arm!«
»Jetzt haben Sie also Colonel Douglas geheiratet. Darüber bin ich sehr froh. Ein wunderbarer Mann! Das werden Sie vielleicht erst merken, wenn der Krieg vorbei ist ... Wenn ich's recht bedenke, es dürfte mich gar nicht überraschen, dass Sie mich besuchen. Offenbar sind Sie genauso großzügig wie Ihr Vater, der beide Söhne liebt - ganz egal, welchen Weg sie gehen.«
»Ja, ich liebe Ian genauso wie Julian - und alle meine
Freunde. Für mich spielt es keine Rolle, auf welcher Seite sie stehen.« Unauffällig musterte sie seine Bandage, die mit Blut getränkt war. »Nun muss ich Ihren Verband wechseln, Canby.«
»Nein, lassen Sie nur ...«
Aber sie bat bereits einen Pfleger um eine frische Bandage und der hinkende Bursche musste nur einen Blick auf Canby werfen, um zu wissen, was der Schwerverletzte brauchte.
Während Tia den Verband wechselte, bat Canby: »Schreiben Sie meiner Frau. Als der Krieg begann, war ich in einem Ausbildungslager oben in D.C. Dort lernte ich Darla kennen. Wir haben einen süßen kleinen Sohn. Schreiben Sie ihr, wie sehr ich sie liebe, Miss Tia. Sie soll nicht zu lange um mich trauern und unseren Jungen zu einem anständigen Mann erziehen. Und würden Sie ihr bitte versichern - ich sei tapfer gestorben, im Vertrauen auf Gott.«
»Natürlich, Canby.« Beim Anblick der schrecklichen Wunde mit der entblößten Lunge blieb ihr fast das Herz stehen. Rasch legte sie dem Soldaten einen neuen trockenen Verband an. »Bald wird Father Raphael zu mir kommen«, flüsterte er. »Würden Sie mir bis dahin was Vorsingen, Miss Tia? >Amazing Grace< ...«
Mühsam zwang sie sich zu einem Lächeln, drückte seine Hand und begann, leise zu singen. Bevor sie die zweite Strophe anstimmte, rief ein anderer Soldat: »Lauter, Miss, bitte - für uns alle!«
Diesen Wunsch erfüllte sie sehr gern. Nach der letzten Strophe betrachtete sie Canbys Gesicht. Mit einem Lächeln auf den Lippen war er gestorben, als hätte er auf dem Weg zum Himmel die Engel erblickt.
So viele Männer hatte sie sterben sehen, im Blau der Union, im Grau der Konföderation. Den Kopf gesenkt, umklammerte sie die leblose Hand und begann zu weinen.
Ian hatte mehrere Landkarten auf den Schreibtisch in Dr. Bryers Privatquartier ausgebreitet und erläuterte die derzeitige Kriegslage, über die er sich bei einer Besprechung in Washington D.C. informiert hatte. »Hier hat sich wenig geändert. Wie ich schon oft genug betont habe - nur ein Großangriff auf die Halbinsel kann eine Entscheidung herbeiführen. Die Menschen in dieser Gegend sind zäh und die meisten, die mit der Union sympathisieren, wagen kein öffentliches Bekenntnis, weil sie Repressalien von Seiten der Konföderation befürchten. Um eine große Schlacht zu gewinnen, braucht man ein großes Heer. Immerhin wird die Blockade gerade verstärkt. Colonel Bryer, ein paar Wochen können Sie noch in den Wäldern verbringen. Dann müssen wir unsere Gefangenen, Verwundeten und Vermissten leider im Stich lassen und Sie werden nach St. Augustine zurückkehren. Dort sollen Ihre Männer vorerst leichten Kriegsdienst verrichten, später wird man sie zur Army am Potomac beordern.«
»Diese Kompanie hat viel durchgemacht«, wandte Colonel Bryer ein. »Bei der blutigen Schlacht von Olustee blieb kaum jemand unverletzt.«
»Dann werden die Soldaten die Wochen in St. Augustine als Urlaub betrachten.«
»Ich fürchte, hier wird der Krieg auch weiterhin so verlaufen wie bisher - allzu viel wird keine Seite gewinnen und umso größere Verluste erleiden.« Taylor wandte sich zu Ian. »Vermutlich hast du auch für mich eine neue Order.«
Sein Freund nickte und reichte ihm eine Ledermappe, in ein wasserfestes Tuch gewickelt. Nachdem Taylor die Papiere studiert hatte, blickte er auf. »Genauso gut könnte ich eine Nadel im Heuhaufen suchen.«
»Das weiß ich. Und wie ich zugeben muss - ich bin froh, dass man diesen Auftrag dir erteilt hat und nicht mir.«
»Und was glaubst du, warum man sich dazu entschlossen hat?«
»Weil du ein Indianer bist«, entgegnete Ian ohne Umschweife. »Dieses Sumpfgebiet kennst du besser als sonst jemand.«
»Darf ich erfahren, worum es geht?«, fragte Bryer neugierig. »Nun diene ich schon seit einiger Zeit zusammen mit Colonel
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