Sieg des Herzens
schlimm würde man das aufnehmen, was würden sie mit ihm machen? Und warum machte sie sich eigentlich Ge-danken darüber? Obwohl er Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt hatte, um sie zu heiraten, war seine ablehnende Haltung ihr gegenüber ja wohl überdeutlich geworden
- und sehr schmerzhaft für sie. Er wollte sie nicht, noch nicht einmal mit ihr arbeiten, sondern nur so schnell wie möglich weg von ihr.
Aber dennoch hatte er noch einmal betont, daß sie rechtmäßige Eheleute seien, und es stimmte auch, daß...
»Mrs. McKenzie«, riß Axel Smith sie aus ihren trüben Gedanken, sah ihr freundlich in die Augen und fuhr fort: »Wenn Sie ihn noch sehen wollen, sollten Sie sich jetzt aber beeilen, bevor man ihn hier wegbringt.«
Rhiannon richtete sich auf, nickte nur und eilte den Flur entlang und die Treppen hinunter. Vor der Eingangstür legte sie schnell ihren Krankenhauskittel ab, strich ihr Haar glatt und stürzte hinaus.
Wie immer war der mittlerweile völlig niedergetrampelte Rasen vor dem Haus mit verletzten Soldaten bevölkert, die darauf warteten, weggebracht zu werden oder neue Befehle zu erhalten. Überall brannten kleine Herdfeuer, und einige Männer spielten auf Instrumenten. Sanitäter und Krankenschwestern brachten ihnen Wasser oder Kaffee und versuchten damit, durch die vielen Menschen zu gelangen, die auf dem Boden lagerten.
Rhiannon war froh, daß sich auch Hauptmann Jesse Halston bei den Leuten dort draußen befand. Den geschienten Arm in einer Schlinge tragend, lehnte er am Stamm einer großen Eiche.
»Jesse!« rief sie und rannte auf ihn zu. »Jesse, ich habe gehört...«
»Julian hat es diesem Mistkerl von Harpers aber richtig gezeigt.«
Sie hielt inne, als sie bemerkte, daß Jesses haselnußbraune Augen vor Freude darüber leuchteten, und hoffte inständig, daß es so schlimm nicht sein konnte, was Julian nun bevorstand. »Jesse...«
»Mach dir keine Sorgen, Rhiannon«, sagte er und lächelte zuversichtlich. »Auch unsere eigenen Leute hätten diesem Kerl am liebsten eine Abreibung verpaßt. Glaubst du etwa, daß den Generälen gefallen hätte, was die von Harpers da veranstaltet haben? Sie werden es bestimmt nicht zulassen, daß Julian gehängt oder erschossen wird...«
»Gehängt oder erschossen!« rief Rhiannon entsetzt.
»Sie bringen ihn in Sicherheit, Rhiannon«, sagte Jesse beschwichtigend.
»Wohin?«
»Wohin wohl? Sie bringen ihn natürlich ins Alte Kapitol. Wenn du ihn vorher noch einmal sehen willst, solltest du dich beeilen. Kannst du reiten? Dann nimm Talisman, den Wallach da drüben. Er ist mein Pferd und wirklich ein braves Tier. Er bringt dich zu Julian, falls er nicht schon weg ist.«
»Dank dir, Jesse.« Mit diesen Worten drehte sie sich auf dem Absatz um und zwang sich zunächst, mit Würde auf das Pferd zuzugehen, fing dann aber doch an zu rennen.
»Du mußtest dich natürlich mit ihm anlegen!« hörte Julian eine amüsiert klingende, tiefe männliche Stimme, als er in triefnassen Unterhosen am Bach beim Feldlazarett stand, nachdem er sich gerade im flachen Wasser ein wenig Erfrischung gegönnt hatte. Aber nun spürte er auf der bloßen, nassen Haut deutlich die Abendkühle, die die sommerliche Hitze des Tages vertrieb.
Er hatte die Stimme gleich erkannt und drehte sich nun grinsend zu Ian um. Dann ging er mit großen Schritten auf seinen Bruder zu, um ihn zu umarmen. Einen Augenblick drückten sie einander ganz fest, bevor Ian Julian ein wenig von sich weghielt und ihm in die Augen blickend sagte: »Es ist ein verdammt gutes Gefühl, zu wissen, daß wir beide noch am Leben sind.«
»Du hast mitgekämpft, nicht wahr?«
»Ja, aber nur noch ganz am Schluß. Man hatte uns ausgeschickt, um Jeb Stuart aufzuspüren.«
Julian ließ seinen Blick nachdenklich über die bewegte Wasseroberfläche schweifen und sagte dann: »Ich habe so hier und da was aufgeschnappt. Man erzählt sich, daß Jeb Lee schwer enttäuscht hat.«
»Nun, er hat nicht wie sonst Meldung von ihm bekommen, und dann war das auch noch Lees erste größere Schlacht ohne Stonewall Jackson.«
»Aber Meade hat Lee schließlich nicht nachsetzen lassen«, sagte Julian.
»Ja, ich weiß«, entgegnete Ian, und es war unüberhörbar, daß er die Entscheidung des Generals nicht nachvollziehen konnte. Ohne daß sie noch ein Wort darüber verlieren mußten, wußte Julian, daß Ian genau wie er einfach nur wollte, daß dieser Krieg endlich ein Ende nahm.
»Einen netten blauen Fleck hast du da«, sagte Ian
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