Siegel der Nacht: Mercy Thompson 6 - Roman (German Edition)
nachgeschlagen. Wenn der Eichendryad bezüglich der Ursprünge des Wanderstabes Recht hatte, war er ein gutes Stück älter als Jesus. Vielleicht sogar älter als Bran.
Ich ließ das Artefakt, das schon alt gewesen war, als Columbus den Fuß auf die Bahamas setzte, fallen wie Abfall und kehrte an die Seite meines Gefährten zurück, bevor irgendjemand sich bewegen konnte.
Hank hatte Adam erschossen.
Adam hatte sich nicht einmal bewegt. Er war einfach nur in seinem dämlichen Campingstuhl zusammengesackt. Das verriet mir, dass es übel war. Sehr übel. Ich konnte sein Blut riechen.
Als ich Adam erreichte, war Gordon bereits an seiner anderen Seite und zog Adam mit einer Leichtigkeit von seinem Stuhl, die kein alter Mann jemals imitieren konnte. Adam bestand aus nichts als Muskeln und war schwer, selbst in seiner menschlichen Form. Gordon konnte höchstens halb so viel wiegen wie er.
Aber das schien ihn nicht aufzuhalten.
Ich riss Adams Hemd auf, um den Schaden zu begutachten.
In seiner Brust war ein sauberes Loch, aus dem ein Knochensplitter
hervorragte. Die gute Nachricht war, dass sein Herz noch schlug, weil das Blut im Pulsrhythmus austrat. Die schlechte Nachricht war, dass es an seinem Rücken keine Austrittswunde gab und es zu viel Blut war.
»Es gibt keine Austrittswunde«, murmelte Gordon.
»Schon bemerkt«, sagte ich kurz angebunden. »Wir müssen sie so schnell wie möglich rausbekommen.« Ich konnte unmöglich sagen, ob es Silber oder Blei war, aber ich musste vom Schlimmsten ausgehen. Sie wussten alle, dass Adam ein Werwolf war, und die Silbergeschichte war allgemein bekannt.
Ich rannte zum Truck und holte das superallumfassende Falls-uns-der-Himmel-auf-den-Kopf-fällt-Erste-Hilfe-Set, das in drei Packungen hinter dem Rücksitz lag. In einem davon war auch chirurgisches Besteck. In der zweiten Packung waren Verbände aller Art. Im nächsten verschiedene Salben und grundsätzlicher Erste-Hilfe-Kram. Ich hielt mich nicht damit auf, das Richtige zu suchen, obwohl sie farblich markiert waren. Stattdessen schnappte ich sie mir alle drei und schleppte sie zu Adam.
Ich ließ sie fallen und kniete mich neben ihn – genau in dem Moment, in dem Gordon eine kleine, aber bösartig aussehende Klinge einsetzte, um seine Haut zu öffnen, weil die Einschusswunde angefangen hatte, sich zu schließen. Das konnte eine gute Nachricht sein: Wunden, die durch Silber verursacht worden waren, schlossen sich gewöhnlich genauso langsam wie beim Rest der Bevölkerung.
»Halt ihn fest«, grunzte Gordon. »Jim, Fred – Hank wird schon nicht umfallen. Er ist nicht tot. Kommt her. Wenn er aufwacht, brauchen wir euch alle.«
»Er wird aufwachen«, erklärte ich ihnen. »Er wird stillhalten. Wahrscheinlich ist es besser, wenn ihr zurückbleibt.« Dann zu Gordon: »Er würde euch spüren. Letztendlich seid ihr Fremde und dann fängt er an zu kämpfen – und selbst wir alle vier zusammen können ihn nicht festhalten, wenn er beschließt, dass er kämpfen muss.«
Ich bin mir nicht sicher, ob Fred oder Jim sich bewegt hatten, als Gordon sie gerufen hatte, aber nachdem ich es ihnen verboten hatte, blieben sie zurück. So hilfreich es auch bei der Entfernung der Kugel war, es war kein gutes Zeichen, dass Adam bewusstlos war. Mir war klar, woran es lag, als ich seinen Kopf drehte und eine blutige Schramme an seiner Schläfe entdeckte, wo die zweite Kugel ihn gestreift hatte.
Die Wunde heilte bereits und damit war klar, dass zumindest diese Kugel aus Blei gewesen war. Trotzdem hätte Hank eine gute Chance gehabt, Adam damit zu töten, wenn er ihn in die Stirn getroffen hätte. Ich schuldete Fred etwas, da ich nicht schnell genug gewesen wäre.
Ich streichelte Adams Gesicht, damit er mich roch und wusste, dass ich für ihn auf der Hut war, dann drehte ich mich, um beobachten zu können, was Gordon tat. Adam war halb bei Bewusstsein; ich konnte es fühlen. Aber er vertraute darauf, dass ich ihm half, während er sich darum bemühte, seinen Körper am Leben zu halten. Selbst wenn die erste Kugel Blei gewesen war, sie musste herausgeholt werden, sonst ginge es Adam während die Kugel langsam herauseiterte tagelang schlechter als einem Kind zu Halloween.
Ungefähr zu diesem Zeitpunkt ging mir auf, dass das
Messer, das Gordon benutzte, nicht etwa schwarz angemalt war, um es militärisch aussehen zu lassen. Es war ein waschechtes Obsidianmesser. Plötzlich stieg völlig zusammenhangslos eine Erinnerung an meinen Anthropologiekurs
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