Silber
Kosmetik.“
„Hatte ich schon erwähnt, wie sehr ich die Menschheit hasse?“, fragte Lethe. „Ich meine, wie hoch stehen die Chancen, dass wir die Kinder retten können?“
Darüber wollte Ronan nicht nachdenken. Es war unwahrscheinlich, dass die Kinder noch am Leben waren, nachdem sie ihre Nützlichkeit überlebt hatten.
„Das wird wohl nicht passieren“, sagte Ronan, während er die Schubladen durchwühlte. „Hattest du Glück mit den Kameras?“
„Ihre Jane Bond hat die Tunnel durch keinen Wartungsschacht in einem Umkreis von fünfhundert Metern um die Stelle verlassen, wo Sie sie verloren haben. Tut mir leid, Mann. Wahrscheinlich ist sie umgekehrt, als Sie weg waren, und ist in die nächste Bahn Richtung Freiheit gesprungen.“ Das klang logisch. Sie hatte drei Züge weiter gedacht als er, und das ärgerte Ronan Frost.
Er öffnete die unterste Schublade. Darin lag ein Fotoalbum, das offensichtlich schon bessere Tage gesehen hatte. Er nahm es heraus und schlug es auf. Es war voll mit jüngeren Versionen von Sebastian Fisher und Catherine Meadows, die in die Kamera lächelten. Er ließ den Daumen über die Seiten fahren und sah immer wieder die Geister des glücklichen Paares. Hinten auf der sechsten Seite fand er schließlich, wonach er gesucht hatte. Die Überschrift der Seite lautete
Masada
. Hier war auf den Fotos etwas anderes zu sehen: grelles Sonnenlicht, Sand, verdorrtes Gras und die Ruinen der Hügelfestung. Er zog die Klarsichtfolie von der Seite ab und steckte die Bilder ein; das letzte davon war ein Gruppenfoto des archäologischen Teams. Auf der Rückseite standen in einer säuberlichen Frauenhandschrift die Namen der Personen auf dem Foto. Insgesamt waren es dreißig, und er erkannte fast die Hälfte von ihnen, ohne ihre Namen lesen zu müssen.
Vier der israelischen Arbeiter waren nur beim Vornamen genannt. Der fünfte, mit aufgerollten Hemdsärmeln und Augen wie ausgebrannten Kohlen, war mit dem Namen Akim Caspi versehen worden.
Ronan kannte zwar nur ein Foto des Mannes, das ihn in Uniform zeigte, und er war gern bereit die Launen des Gedächtnisses im fortschreitenden Alter mit einzurechnen, aber der Akim Caspi auf diesem Foto war auf keinen Fall derselbe Mann wie der ehemalige Generalleutnant der Israelischen Streitkräfte.
Die Sache begann, wie Orla Nyrén gerne sagte,
interessant
zu werden.
7
IM UNTERGRUND
Sie stritten sich auf dem Weg die Straße hinunter, und es war ein dummer Streit. Sarah wollte zum Checkpoint Charlie, und er wollte sich zuvor noch einen heißen Caffè Americano und dazu einen Muffin mit Zuckerguss genehmigen. Diese beiden Programmpunkte schlossen sich nicht im Geringsten aus; er hatte versucht, ihr das vernünftig zu erklären. Sie waren im Urlaub, und die Definition dieses Begriffs beinhaltete schließlich, dass sie es nicht eilig hatten. Aber Sarah war nun mal Sarah. Sie hatte sich in den Kopf gesetzt, dass sie möglichst früh in der Friedrichstraße sein wollte, um den Tag nicht sinnlos zu vergeuden.
Sie wollte das Brandenburger Tor sehen, die Kathedralen am Gendarmenmarkt, und, wenn möglich, gegen Mittag schon in Spandau sein. Er dagegen wollte sich Zeit lassen und einen Abstecher ins ehemalige Ostberlin machen, um sich vorzustellen, wie es dort wohl 1961 gewesen sein musste, als russische Panzer die Straßen versperrt hatten. Es war eine Schande, dass sie den alten Grenzposten abgerissen hatten, von den ursprünglichen Gebäuden des Checkpoint Charlie war praktisch nichts mehr übrig. Das hinderte ihn allerdings nicht daran, die bewegte Geschichte dieses Ortes in sich aufzusaugen wie ein Schwamm.
Für ihn war die Reise mittlerweile fast eine Pilgerfahrt und kein gewöhnlicher Flitterwochenurlaub mehr. Sein Großvater war bei dem Versuch gestorben, das Niemandsland zwischen Ost und West zu durchqueren. Er wusste, dass sich an dieser Stelle jetzt nur noch eine gewöhnliche Straße befand, aber das war ihm egal. Es ging um das, was damals dort geschehen war. Sarah verstand ihn, es war eine der vielen Eigenschaften, für die er sie liebte. Obwohl sie sich manchmal stritten wie Hund und Katz, sie konnte ihn dennoch verstehen. Verdammt, sie liebte ihn,
weil
er Fehler hatte, und nicht
obwohl;
das war jeden dummen Streit wert, den sie jemals geführt hatten.
Sie hatte die Route auf dem Stadtplan eingezeichnet: Sie mussten die U2 vom Potsdamer Platz zur Stadtmitte nehmen und dort in die U6 Richtung Norden umsteigen.
„Um Himmels Willen, Sarah“,
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