Silberband 015 - Mechanica
sich, wie er vorgehen könnte.
Die Zeit verrann. Eine Stunde nach Mitternacht startete das Schiff, das ihn hinter Nike Quinto
her nach Arkon II bringen sollte. Er hatte keine Minute mehr zu verlieren.
Er erhob sich aus seiner Deckung. Er ging einen Schritt auf die Baracke zu, da hörte er vor
sich ein Geräusch. Blitzschnell duckte er sich wieder und wartete. Links von ihm, fast am Rand
des Asphaltfelds, gab es dichtes Gestrüpp und Buschwerk. Das Geräusch kam von dorther. Es klang,
als versuchte ein großes Tier, sich aus den Zweigen und Dornen frei zu machen. Ron wartete voll
atemloser Spannung.
Er sah, wie ein dunkler Schatten sich aus den Büschen löste. Es war ein Fahrzeug, daran
bestand kein Zweifel. Fasziniert beobachtete Ron, wie es sich in horizontaler Richtung in
Bewegung setzte, rasch an Geschwindigkeit gewann und in der Dunkelheit der Nacht verschwand. Im
letzten Augenblick sah er im Schein der Lampen, die das Feld der Verteilerstation erleuchteten,
eine schmale, lange Sichtscheibe aufleuchten. Dahinter schimmerte es blutrot.
Ron stand starr. Wie ein Blitz zuckte ihm eine Idee durch den Kopf. Er verwarf sie rasch, aber
sie kehrte zurück. Er konnte den Gedanken nicht loswerden.
Er fing an zu laufen. Es war ja so einfach, sich zu überzeugen. Mit weiten Sprüngen überquerte
er den Teil des Asphaltfelds, der zwischen ihm und der Westwand der Baracke lag. Er ging in die
Knie und kroch unter der langen Reihe der Fenster entlang. Von Zeit zu Zeit schnellte er auf, um
einen Blick durch eines der Fenster zu werfen. Dahinter sah er Räume, die für ihn im Augenblick
uninteressant waren. Sie enthielten Recheneinheiten, Schreibtische, Registriergeräte und sonstige
Dinge. Das einzig für ihn Wichtige war, daß er nirgendwo mehr einen Arkoniden entdecken konnte.
Dabei hatte er noch vor zehn Minuten das ganze Gebäude voller Aktivität gesehen.
Er wußte, daß etwas geschehen war. Er huschte weiter unter den Fenstern dahin.
Und schließlich fand er, was er suchte.
Der Raum, in den er verstohlen schaute, war klein. Die Tür stand offen, und dahinter drängten
sich Arkoniden. Ein mittelgroßer, kräftiger Mann stand an der Tür und versperrte sie mit seinen
Armen. Niemand durfte den Raum betreten – außer den dreien, die schon darinnen waren.
Das waren erstens der Mann an der Tür, zweitens ein weißhaariger, schlanker Arkonide, der in
der Mitte des Raumes am Boden kniete, und drittens der Mann, der reglos, mit verzerrtem Gesicht
und vor Schreck weit aufgerissenen Augen am Boden lag.
Er war tot. Daran bestand kein Zweifel.
Sein Kopf lag in einer Lache roter Flüssigkeit. Es war kein Blut. Es war ein rotleuchtendes
Etwas, das Schwefeldioxyd, Chlor und Zyansalze enthielt.
Benommen kehrte Ron um, setzte sich in seinen Wagen und fuhr nach Hause.
Laurel war von Arkon vierzigtausend, von Terra sechzigtausend Lichtjahre entfernt. Noch viel
größer war die Entfernung zwischen den Denkweisen der Laurelianer, Arkoniden und Erdmenschen.
Was hatte den Händler dazu bewogen, den Mann in der Verteilerstation zu töten? Wußte er etwas
über die Hintergründe von Thekus' Ermordung? Kannte er die Drahtzieher? War der Tote in der
Station einer von ihnen gewesen?
Ron wußte wenig über die Laurelianer – aber im Grunde genommen genausoviel wie jeder
andere auch. Sie waren bekannt dafür, daß sie sich loyal verhielten. Sie waren niemals an einer
regierungsfeindlichen Aktion beteiligt gewesen.
Was also?
Ron schüttelte den Kopf und gab das Nachdenken auf. Er hatte noch fünfzig Minuten Zeit bis zum
Start des Raumschiffs. Mindestens zehn Minuten vor dem Start mußte er an Bord sein. Das ließ ihm
vierzig Minuten. Er machte den Umweg über das gemietete Haus eigentlich nur, weil er den Mokoki
mitnehmen wollte. Ein Mokoki war ein zu teures Tier, als daß man es einfach irgendwo hätte
stehen- und zugrunde gehen lassen wollen.
Er parkte den Wagen mit laufendem Motor vor dem Stiel des Trichterhauses und fuhr zu seiner
Etage hinauf. Der Behälter mit dem Mokoki stand griffbereit auf dem Boden. Der Mokoki schwamm
munter in der rotleuchtenden Flüssigkeit herum.
Ron schloß die Hand um den Traggriff des Behälters, da summte der Interkom. Eine Sekunde lang
überlegte Ron, ob er das Gespräch noch annehmen solle. Dann ließ er den Griff wieder los, ging
hinüber zum Tisch und schaltete die Verbindung ein.
Verblüfft starrte er auf den kleinen Bildschirm. Er brachte kein Bild zuwege.
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