Silberband 068 - Anti-Universum
merkten, daß es sich um eine höchst vordergründige Lüge handelte, erkannten sie dahinter eine Wahrheit, die sie stutzig werden ließ. Orana war zu dieser Sache veranlaßt oder gezwungen worden, aber sie hatte diesem Zwang gern nachgegeben.
»Woher kommen wir?« erkundigte sich Gucky. Er machte keineswegs den Eindruck, als ob er scherzen würde.
»Aus einer Parallelwelt. Ich habe die Hoffnung, daß der Charakter dieser Welt anders ist als der meiner Welt«, sagte sie. Es klang bereits fester und konnte mehr überzeugen.
»Wir sind aus dieser Parallelwelt«, bestätigte einer der Wächter. »Aber es ist nicht notwendig, daß wir in dieser unfreundlichen Umgebung bleiben. Gehen wir nach oben. Sie sind nicht bewaffnet?«
»Nein.«
Inzwischen war es allen drei Mutanten völlig klar, daß Orana Sestore keineswegs bösartig oder verschlagen war. Sie unterschied sich also, wie beispielsweise jene Neu-Arkoniden, von dem herrschenden Charakter dieser Parallelwelt oder zumindest des Solsystems. So weit, so gut. Sie war verängstigt, schockiert und unsicher, und das wiederum ließ darauf schließen, daß sie als Werkzeug benutzt wurde. In diesem Fall von Leuten, die keinerlei Rücksichtnahme kannten und skrupellos waren. Sie war der Köder einer Falle.
»Also – gehen wir nach oben, in die Zentrale.«
Der Punkt, an dem der Leichte Kreuzer Orana übernommen hatte, lag zweieinhalbtausend Lichtjahre von GALAX-Zero entfernt und fünfhundert Lichtjahre von der MARCO POLO. Die Zeit, die Orana bis hierher gebraucht hatte, ließ sich ausrechnen. Der Kreuzer befand sich inzwischen im Linearraum und raste auf die MARCO POLO zu. Dort warteten Rhodan und Atlan und die anderen Freunde auf Orana. Das Ganze war ein undurchsichtiges Spiel mit vielen Zügen, von denen jeder einzelne eine Million Variationen zuließ.
»Gern, wenn Sie es erlauben«, sagte Orana.
Gucky war verblüfft und gleichzeitig erschrocken. Er war sogar betroffen, denn er entsann sich nur allzu deutlich, wie sehr und wie gern jene andere Orana, die dieser jungen Frau bis aufs Haar glich, seine Späße mitgemacht hatte.
Orana Sestore II war – als erste Beobachtung – charakterlich jener wirklichen Orana mehr als nur ähnlich. Sie zählte nicht zu den Bösewichten. War sie ein ›normaler‹ Mensch, dann schien ihr Zustand – zweite Beobachtung – die Folge eines starken Druckes oder Zwanges zu sein. Also war sie das Werkzeug eines anderen Rhodan.
Sie war ein gebrochener Mensch. Sie fürchtete sich, sie hatte Angst. Sie war verschüchtert und stand unter stärkster Spannung. Gucky sah eine Weile lang zu, wie sich die knapp zwanzig Personen aus der kahlen Transmitterkammer hinausbewegten, dann teleportierte er hinauf in die Zentrale.
Hier setzte er sich in den größten und bequemsten Sessel, schlug seine bepelzten Beine übereinander und legte einen seiner ›Finger‹ an den Nagezahn. Er überlegte scharf und dachte in diesem Zusammenhang nicht ein einziges Mal an einen losen Scherz. Die ganze Sache war zu ernst und zu düster.
Sie kamen herauf; man hatte flüchtig den Anschein erwecken wollen, eine unverkrampfte Situation zu konstruieren.
Im Zentrum der Zentrale stand ein Tisch, um ihn herum waren Sessel befestigt worden. Becher und Flaschen standen auf dem Tisch. Die Besatzung der Zentrale kümmerte sich um den Kurs und um die Funksprüche, um die Tarnung und um den Zeitplan und gab sich Mühe, Orana nicht noch verlegener zu machen.
Schließlich, als sich die Situation ein wenig entspannt hatte, sagte Irmina: »Sie sind gezwungen worden, mit Hilfe Ihrer Möglichkeiten nach Rhodan zu suchen, nicht wahr, Orana?«
Orana starrte die Mutantin an, dann nickte sie langsam. »Ja, so ist es!« bekannte sie.
Irmina hatte Mitleid mit Orana. Sie wußte nur, daß Orana ein Geheimnis verbarg. Tief in ihrem Innern, vermutlich ein Block um ihren Verstand. Ob sie es bewußt oder unbewußt verbarg, war im Augenblick noch nicht klar und nicht zu beweisen.
»Wir haben keinerlei Verfolger festgestellt!« warf Lloyd ein. Auch er konzentrierte sich auf Orana. Auch er kam nicht viel weiter. Sie sperrte sich gegen seine forschenden Gedanken.
»Ich wurde nicht verfolgt.«
»Aber Rhodan II weiß, in welcher Mission Sie unterwegs sind?«
»Ja. Er weiß es. Galbraith Deighton zwang mich. Aber ich bin keine Marionette. Ich bin …«
»Sie meinen, daß Sie keinerlei Zwängen unterliegen?« half Irmina aus.
»Ja. Richtig.«
Gucky zupfte nachdenklich an den
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