Silberband 083 - Kampf um die SOL
»Er hat uns vier Jahrzehnte lang verfolgen lassen. Das ist richtig, niemand leugnet es, die Leiden werden nicht ungeschehen gemacht.«
»So ist es«, sagte eine Frau, die verantwortlich war für die medizinische Hilfe und die damit zusammenhängenden Probleme innerhalb der Organisation.
Danton winkte müde ab. »Es ist überflüssig, zu diskutieren, ob wir einen Kranken für das verantwortlich machen können, was er während seiner Krankheit getan hat. Dieses Problem ist so alt wie die Menschheit.« Er schlug mit der flachen Hand auf die Tischplatte. »Hört auf mit dem Selbstmitleid – jeder, oder ich verstehe die Welt nicht mehr.«
Er schwieg, selbst überrascht von seinem Ausbruch. Als er den Blick hob, sah er die dunklen Augen des Professors auf sich gerichtet. Ahmid el Fataro war der Entdecker der PHARAO. Um die Lippen des Spezialisten für Lemuria-Forschung lag ein verständnisvolles Lächeln.
»Ich greife Mister Bull nicht an«, sagte der Cheflogistiker in dem Moment halblaut. »Ich vermeide auch jeden Sarkasmus. Aber für einen Teil der Menschen, die sich in den Schutz unserer Organisation geflüchtet haben, bleibt Bull trotz aller gegenteiligen Beteuerungen vorerst das Symbol der Aphilie. Wie weit uns diese Krankheit gebracht hat, sehen wir – ein Teil der Menschheit jagt den anderen.«
Vorbehalte, die ausgesprochen wurden, konnten durch Argumentation entkräftet werden. Äußerlich wirkte Reginald Bull ruhig und gelassen, doch den vierzigjährigen bösen Traum konnte nicht einmal er so schnell verdrängen. So lange hatte er unter dem Einfluss der Krankheit gehandelt. Wie sollte er es dann von den anderen verlangen?
Die Versammlung spiegelte deutlich die Verhältnisse in Porta Pato wider. Über die Hälfte der Flüchtlinge lehnte Bull auch nach zwei Wochen noch ab. Sie waren vielleicht durch eine drastische Aktion oder durch ein Wunder zu überzeugen, aber seinetwegen hatten sie Freunde oder Verwandte verloren und waren wie Ratten gehetzt worden.
Die anderen freuten sich ehrlich. Sie wussten, dass Bull und seine Kenntnisse für die Sache der OGN unersetzbar waren.
»Ich will mich in die Organisation einbringen«, sagte er. »Vor allem mein Wissen um die Details der letzten vierzig Jahre könnten wichtig sein. Was Casalle machen wird – keiner von uns kann das heute schon exakt vorhersagen. Aber gerade deshalb bin ich der Meinung, dass Porta Pato gründlich durchsucht werden muss. Wir wissen, dass die alten lemurischen Bauten Überraschungen bergen.«
»Das kann ich bestätigen«, sagte Professor el Fataro, der Roi Danton gegenübersaß.
»Vielleicht finden wir im Erbe der Lemurer wichtige Geräte oder Maschinen oder meinetwegen auch nur Hinweise oder Ideen. Unter Umständen sogar etwas, das uns helfen wird, die Strahlung dieser verdammten Sonne zu besiegen.«
»Ich bin dafür«, meldete sich der Professor erneut. »Ich halte das für aussichtsreicher als viele der Versuche, die wir bisher unternommen haben.«
»Stimmt«, pflichtete Danton bei.
»Möglicherweise stellt sich die Suche nach einiger Zeit als erfolglos heraus«, fuhr Bully fort. »Trotzdem glaube ich, dass wir etwas finden können. – Mein zweiter Plan liegt anders. Die Organisation sollte sich überhaupt von der Erde zurückziehen. Gehen wir hinaus in den Mahlstrom, dort existiert eine Welt, auf der Menschen leben. Sie leiden nicht unter dem Waringer-Effekt. Roi und ich haben uns darüber unterhalten. Vor vierzig Jahren gab es ein Projekt, das Rhodan in seinen letzten Wochen gestartet hatte. Es hieß Emotional Ladys und hatte die Umsiedlung von Gesunden auf eine Welt namens Ovarons Planet zum Thema.«
Roi Danton fuhr fort: »Mein Vater konnte das Projekt nicht beenden. Er transportierte über zweitausend Frauen und Mädchen und Kinder dorthin. Die Schiffe mit den dazugehörigen Männern konnten nicht mehr starten, die Gefangennahme und die Verbannung kamen dazwischen. Aber wir haben die Koordinaten des Planeten.«
Schweigen. Ratlosigkeit breitete sich aus. Die Immunen waren größtenteils darüber erstaunt, dass Danton und Bull fast synchron zusammenarbeiteten. Für Michael Rhodan und Reginald Bull war es wie ein Treffen alter Freunde, die sich nur vorübergehend aus den Augen verloren hatten.
»Warum plötzlich dieses Interesse an Ovarons Planet?«, fragte der Mann, der zusammen mit dem Entdecker der PHARAO für den Bereich Raumschiffe, Weltraum und Fluchtmöglichkeiten zuständig war.
Bulls Gesicht blieb ausdruckslos.
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