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Silberfischchen

Titel: Silberfischchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inger-Maria Mahlke
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beschleunigte seine Schritte, strich mit der Handfläche die Schnittkante entlang,
     die Haarspitzen waren weich, kitzelten ihn. Sie zuckte weg, als sei seine Hand ein Insekt, eine Wespe, Fliege, lästig, drehte
     sich um, presste Lippen, Stirnfalten, die Augen wurden schmaler, als sie sah, was es war. »Lassen Sie das.«
    Er blieb stehen.
    »Dort gehe ich einkaufen«, er zeigte auf den Edeka-Markt auf der anderen Straßenseite.
    Sie steuerte auf den Kantstein zu, auf eine Lücke zwischen den geparkten Autos, die Straße war frei, er griff nach ihrem Jackenärmel.
     »Da vorne ist die Ampel«, sagte er, »dort gehen wir rüber.«
    Sie sah hinab, auf seine Hand, einen Augenblick lang schien sie zu überlegen, ob sie den Arm hochreißen, ob sie widersprechen,
     ob sie weitergehen sollte, doch dann nickte sie, ging ruhig neben ihm her zur Ampel.
     
    Sie interessierte sich natürlich für die Sonderangebote, die in der Gangmitte standen, nahm eine hellgelbe Plastikflasche
     aus einem der Stapel, las laut »Waffelteig« vor, drehte sich zu ihm um, »aus der Flasche«, sagte sie erstaunt.
    |63| Er nahm den Waffelteig aus ihrer Hand, stellte ihn zurück, vorsichtig, damit die sauberen gelben Reihen nicht umstürzten.
    »Lass das«, sagte er.
    »Lassen Sie das, Jana«, Frau Potulski griff nach der Stange des Einkaufwagens, wollte ihn weiterschieben. Er war schneller,
     »ich nehme den.« Eine Frau drehte sich um, musterte erst ihn, dann Frau Potulski, blickte wieder ihn an und schüttelte den
     Kopf.
    »Brühe und was noch«, fragte er.
    »Kartoffeln«, begann sie. »Butter, Brot, Käse, etwas zu trinken.«
    »Ich trinke nur Tee.«
    »Ich nicht.«
    »Sie können Leitungswasser trinken.«
    »Nein«, unvermittelt blieb sie stehen und verschränkte die Arme.
    »Die Brühe steht neben dem Kühlregal.« Er schob den Wagen in die Richtung, sie folgte ihm nicht.
    Frau Potulski wartete am Obststand, in jeder Hand einen grünen Saftkarton, legte beide in den Wagen.
    »Das ist reines Zuckerwasser«, entgegnete er.
    Sie blieb stumm, nahm ein Plastiknetz mit Mandarinen und legte es daneben.
    Den Saft ließ er im Wagen, die Kassiererin deutete auf ein Schild über der Kasse.
Bitte legen Sie alle Waren auf das Band
, stand dort.
    Er wandte sich um. »Sie wollten den Saft«, sagte er.
    Frau Potulski verdrehte die Augen, griff an ihm vorbei, nahm die Saftpakete aus dem Wagen, reichte sie der Kassiererin.
    |64| »Die tragen Sie nach Hause«, sagte er.
    »Gut«, antwortete sie, die Kassiererin lächelte ihr zu. Er zahlte in bar, die Karten benutzte er nie, schirmte sein Portemonnaie
     mit einer Hand vor den Blicken ab, als er es öffnete. Er sah sich suchend um, ob er etwas vergessen hatte.
    »Den Apfelsaft hat Ihre Pflegerin schon mitgenommen«, die Kassiererin machte eine Kopfbewegung in Richtung Frau Potulski,
     die an den Einpacktisch gelehnt stand.
    »Das ist nicht meine Pflegerin«, antwortete er, »das ist meine Frau.«
     
    »Was genau soll ich denn getan haben«, fragte sie beim Abendessen, die Ellbogen auf den Tisch gestützt, die Hände über dem
     Teller gefaltet, Dampf sammelte sich unter ihnen. Ihr Besteck lag unberührt neben dem Tellerrand.
    »Ich weiß es nicht, sagen Sie es mir«, antwortete er, schob sich eine Gabel mit Kartoffelpüree und Erbsen in den Mund, das
     Kartoffelpüree war gut.
    Nach dem Essen entwickelte er den Berliner Dom in seiner grauen Wuchtigkeit, ein paar Touristen vor dem Portal zusammengedrängt.
     Als er fertig war, nahm er die Regenfotos von der Leine, eigentlich hätte er einen Bleistift suchen müssen. Er hatte sich
     angewöhnt, das Datum der Aufnahme auf der Rückseite zu notieren. Stattdessen schob er die Regenfotos hastig zu einem Stapel
     zusammen, scherte sich nicht um Kratzer. Frau Potulski musste im Wohnzimmer sein. Nachdem er den Dom zum Trocknen aufgehängt
     und |65| die Flaschen zurück ins Regal gestellt hatte, als die Entwicklerschale ausgewaschen abtropfte und das Papier wieder zu einem
     akkuraten Stapel geschichtet war, ging er nach ihr sehen.
    Er hörte ihre Stimme bereits im Flur, sie war im Wohnzimmer, saß auf dem Sofa und telefonierte. Sie sprach polnisch, hielt
     sich mit den Fingern das freie Ohr zu, wandte den Kopf ab, als er fragte, mit wem sie spreche.
    »Frau Potulski«, sie ignorierte ihn, »Frau Potulski«, wiederholte er, lauter, ihre Stimme wurde weich, als würde sie sich
     verabschieden. Er ging auf den Telefontisch zu, wollte die schwarze Taste drücken, wollte

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