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Silberfischchen

Titel: Silberfischchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inger-Maria Mahlke
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auflegen, sie kam ihm zuvor. Er
     stellte sich dicht vor sie, auf dem Sofa sitzend reichte sie ihm knapp bis zur Hüfte. »Mit wem haben Sie gesprochen?«
    »Meine Schwester. Sie hat den Pass geholt, morgen bringt sie ihn zur Post, spätestens Montag wird er hier sein.« Sie stand
     auf, stand so dicht vor ihm, dass ihr Bauch fast den seinen berührte, er sah hinab. »Ich gehe schlafen«, sagte sie.
     
    Er wartete lange an diesem Abend. Wartete im Flur, wartete auf das Drehen des Schlüssels, eine Hand an die Badezimmertür gelegt,
     Lackbläschen unter den Fingerkuppen. Wartete auf das metallische Schnappen des Schlosses, die andere Hand in die Hosentasche
     geschoben.
    Den BH hatte sie schon ausgezogen. Sie wich nach hinten, als er versuchte, ihre Wange zu berühren. Seine Hand hing kurz in
     der Luft zwischen ihnen, er ließ sie |66| auf die Schläuche hinabsinken. Die Hände glitten abwärts, Weiches unter den Fingerkuppen, er meinte zu fühlen, dass etwas
     geschah. Sicher war er nicht. Ein Sichausdehnen. Ein warmes Sichausdehnen. Er konnte den Stoff seiner Unterhose fühlen, Feinripp,
     auf einmal fühlte er ihn, stieß dagegen, Feinripp, nur ein wenig, aber sicher war er nicht.
    »Ssscht!«
    Ssssss so scharf, dass er es als Kribbeln in den Fingerspitzen fühlen konnte, so dass seine Fingerspitzen innehielten, unschlüssig,
     auf dem rauen Strumpfhosenbündchen.
    »Ssscht.«
    Aufwärts. Seine Fingerspitzen bewegten sich aufwärts, stießen gegen Brustwarzen, strichen die kleine Wölbung die Schläuche
     hinauf, ohne zu verlangsamen, und kamen erst weit oben, knapp unter ihrem Schlüsselbein, zur Ruhe. Vorsichtig legte er die
     Handflächen ab. Sie mussten kalt sein. Ihr Herz schlug ruhig unter seiner rechten Handfläche, nicht schnell, nein, ruhig.
    »Ich glaube, das reicht für heute«, sagte sie.
     
    Er lehnte mit dem Rücken am Holz der Schlafzimmertür, seine rechte Hand tastete nach dem Schlüssel. Nein, er würde nicht abschließen,
     sich verbarrikadieren, als hätte er Angst. Er stieß sich ab, betrachtete die Tür, sie öffnete und schloss lautlos, er hatte
     die Angeln geölt, vor kurzem erst, einerlei, er hatte keine Angst vor ihr.
    Den Kulturbeutel tat er auf die Sitzfläche des Stuhls, über den er immer seine Kleidungsstücke legte, die er |67| am Morgen wieder anziehen würde. Den Bademantel hängte er über die Lehne.
    Mit dem Lastwagen gefahren. Er schlug die Decke zurück. Die Marmelade war hellrot, verklebt mit grauen Stofffasern, der Fleck
     vom Frühstück mittig auf dem weißen Laken. Sie hatte die Wäsche nicht abgezogen, hatte die Krümel entfernt, das Laken geglättet,
     die Decke auf den Fleck gelegt, aber nicht die Wäsche abgezogen. Er setzte sich auf die Bettkante, stieß die Pantoffeln von
     seinen Füßen, gab acht, den Fleck nicht zu berühren, als er sich zurücklehnte. Der Fleck befand sich auf Höhe seines linken
     Ellbogens. Sie hätte das Bett frisch beziehen müssen, war zu faul gewesen. Mit dem Lastwagen gefahren. Das »Ssscht!« begann
     erneut in seinen Fingerspitzen zu kribbeln. Mit dem Lastwagen ins gemachte Nest gefahren. Seine Hand strich über das Laken,
     ertastete den Fleck, rau und gleichzeitig klebrig. »Ssscht!«, seine Fingerspitzen kribbelten, er hätte nicht aufhören sollen.
     Die Hände einfach nach unten gleiten lassen sollen, den Bauch hinab, die Strumpfhose hinab, dorthin, wo es warm war. Er fühlte
     wieder den harten Muskel ihres Oberarms unter dem hervorquellenden Fleisch. Er könnte zu ihr gehen. In sein Wohnzimmer. Sich
     neben sie legen auf die schmale Couch.
     
    Es war dunkel im Flur, die Wohnzimmertür geschlossen, eine schmale Linie Licht fiel durch den Spalt zwischen Tür und Schwelle.
     Er zögerte, die Hand erhoben, unsicher, ob er anklopfen oder die Klinke hinabdrücken sollte. Es war seine Wohnung.
    |68| »Frau Potulski«, er öffnete die Tür.
    Das Deckenlicht brannte, ebenso die Stehlampe, die Decke hatte sie auf der Sitzfläche des Sofas ausgebreitet, das Kopfkissen
     lag noch auf der Lehne. Jana Potulski kniete auf dem Boden vor dem Sofa, ihre Hände lagen gefaltet auf dem Polster, den Kopf
     hielt sie gesenkt, die Augen geschlossen.
    Lautlos und schnell bewegten sich ihre Lippen, formten unablässig Worte. Sie sah nicht auf, musste ihn gehört haben, ihre
     Lippen hielten nicht inne, ihre Augenlider zuckten nicht.
    Sie trug noch immer das weiße T-Shirt. Ihr Kinn berührte fast den Halsausschnitt, ihre Beine verdeckte das Sofa. Er

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