Silbernes Band (German Edition)
gewürzt, schnitt mit Feuereifer Karotten und Broccoli klein und jonglierte mit Pfannen und Schüsseln, bis alles auf dem Herd garte, deckte den Tisch und stellte sich dann an den Schüttstein, um den Wasserkrug aufzufüllen.
Rúna trat leise hinter ihn, blies ihm ihren warmen Atem in den Nacken, legte die Arme um ihn und lehnte sich an seinen breiten Rücken. Ganz langsam drehte er sich zu ihr um, als befürchte er, sie könnte durch eine unbedachte Bewegung aufgeschreckt werden und flüchten. Sie flüchtete nicht, sondern schlang ihre Arme wieder behutsam um seine Mitte, also wagte er, die Umarmung vorsichtig zu erwidern, dann blickten sie einander tief in die Augen. Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und berührte scheu seine Lippen. Ganz sanft gab er ihr den Kuss zurück, sie sollte sich auf keinen Fall vor ihm fürchten. Sie fasste in sein Haar und strich liebevoll über seinen Rücken. Der zarte Körper schmiegte sich an ihn. Er hielt sie, als sei sie aus Glas.
Der Timer in seinem Kopf sagte ihm, dass das Essen fertig war, also löste er sich widerstrebend von ihr. „Setz dich, mein Schatz.“ Sie musterte den Küchentisch, auf dem bloss ein Gedeck lag. „Isst du nichts?“ Er schien verlegen: „Wenn ich auf der Jagd war, brauche ich für ein paar Tage nichts zu essen, ich bin bloss schrecklich durstig, das heisst, durstig nach Wasser.“ – „Okay.“ Sie setzte sich, damit er den gefüllten Teller mit Hähnchenbrust, Gemüse und Reis servieren konnte. Dieses Mal kam er ihr nicht nahe, vergrub nicht sein Gesicht im Haar und streifte auch nicht ihren Hals. „Danke.“ Rúna schenkte ihm ein Lächeln, als er sich ihr gegenüber niederliess.
Noch während sie ass, überkam sie eine angenehme Müdigkeit. Die ungeheure Anspannung war von ihr abgefallen, was eine bleierne Schwere zur Folge hatte, und sie befürchtete, gleich am Tisch einzuschlafen. „Du bist müde.“ Er strich zärtlich über die leicht gerötete Wange, sie blinzelte angestrengt. „Ich geh ins Bett. Leihst du mir ein T-Shirt?“ Er schien überrascht, hatte zwar gehofft, aber nicht damit gerechnet, dass sie die Nacht bei ihm verbrachte. „Natürlich. Du weisst ja, wo sie sind.“ Sie erhob sich, drückte kurz seine Schulter und ging dann selbstverständlich in Richtung Schlafzimmer.
Auf dem roten Sessel lag ein zusammengeknülltes, dunkelgraues T-Shirt. Sie nahm es an sich und presste das Gesicht in den weichen Stoff. Es roch nach ihm. Sie zog sich aus, schlüpfte hinein und fühlte sich geborgen. So, als würde er sie umarmen.
Acht Minuten später betrat er lautlos das Schlafzimmer. Rúna lag zusammengerollt auf der Seite und schlief bereits tief und fest. Leise zog er sich aus und legte sich zu ihr. Er hoffte, dass er heute Nacht nicht wieder diesen schrecklichen Traum hatte, wagte deshalb nicht, ganz nah an sie heranzurücken. „Heiðar... Gebrauchsanleitung...“, murmelte sie. Er konnte sich keinen Reim darauf machen, wartete vergeblich, dass sie weitersprach. Sie rümpfte bloss ihre süsse Stupsnase, streckte die Hand nach ihm aus und legte sie an seinen Hals. Vorsichtig schob er die warme Hand auf die Matratze zurück, dabei fiel sein Blick auf den hässlichen Bluterguss an ihrem Arm. Seufzend schloss er die Augen und hoffte, bald einschlafen zu können.
Annäherung an die unsterbliche Welt II
Als sie erwachte, lag sie allein im Bett. Sie strich über den Abdruck, den er im Kopfkissen hinterlassen hatte, dann drehte sie sich um und suchte nach der Armbanduhr auf dem Nachttisch: zwanzig nach Sieben. Die Buchhandlung öffnete erst um Neun, sie brauchte sich also nicht zu beeilen. Im Bad rauschte die Dusche - dort steckte er also. Sie angelte nach seinem Kissen und drückte es an sich. Über Nacht hatte sich vieles zusammengefügt, sie wollte vorerst mit ihm zusammenbleiben. Obwohl sie nun sein Geheimnis kannte, war er immer noch derselbe Mann, in den sie sich verliebt hatte. Ihr Vertrauen in ihn war gross genug, und ihre Liebe war stark. Sie wollte es schaffen, sich mit seinen dunklen Seiten zu arrangieren. Die Tatsache, dass er Blut brauchte, musste sie akzeptieren. Er hatte schliesslich keine Wahl, und es war nicht seine Schuld. Obwohl sie die Sache mit dem Pferd ziemlich schockiert hatte. Aber war es nicht ehrlicher, sich seine Beute selbst zu jagen (ob es nun um Blut oder Fleisch ging), statt im Supermarkt alles pfannenfertig einzukaufen? So betrachtet musste sie Respekt davor haben, dass er sich dem
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