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Silbernes Band (German Edition)

Silbernes Band (German Edition)

Titel: Silbernes Band (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Jaedig
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Tag vor meinen Schülern und versuche, ihnen etwas beizubringen.“ – „Du bist wohl ein voll motivierter Pauker, was?“, bemerkte Gæfa flapsig, was ihr einen eindringlichen Seitenblick ihrer Mutter einbrachte. Heiðar schien die provokante Äusserung gar nicht gehört zu haben, er wandte sich mit einem charmanten Lächeln an Ulrike: „Rúna hat erzählt, dass du im Pflegeheim arbeitest. Ist bestimmt eine anspruchsvolle Aufgabe.“ Sie war erleichtert, dass er nicht auf Gæfas Provokation einging. „Ja, das ist es, aber es macht mir sehr viel Freude, mich um die alten Menschen zu kümmern. Wenn bloss die Sparmassnahmen nicht wären!“

    Rúna wollte auf keinen Fall, dass Papa Mamas Bemerkung zum Anlass nahm, schon wieder über die Krise zu lamentieren. „Erzählst du Heiðar die Geschichte von Bjálfi?“, lenkte sie geschickt ab. Pétur nahm sein Funkeln in Betrieb und musterte Heiðar eingehend, als müsste er erst gründlich darüber nachdenken. „Es ist natürlich keine der grossen Geschichten, und es ist sehr unwahrscheinlich, dass sie sich tatsächlich so abgespielt hat, wie sie mein Ur-Ur-Urgrossvater im Jahr 1872 aufgeschrieben hat. Ich vermute, er liess sich von bestehenden Geschichten inspirieren und konstruierte daraus seine eigene Erzählung.“ – „Ob die Geschichte in allen Punkten der Wahrheit entspricht ist doch zweitrangig. Viel wichtiger ist, was sie deiner Familie bedeutet. Eine Abschrift aus dem 19. Jahrhundert ist an sich schon wertvoll – ich würde mir das Schriftstück sehr gerne einmal ansehen“, erwiderte Heiðar.

    Pétur schien überzeugt. „Nun denn - mein Vater pflegte immer zu sagen: Eine gute Geschichte ist niemals Zeitverschwendung!“ Er setzte sich gemütlich zurecht, faltete die Hände vorm Bauch und begann zu erzählen:

    „Bjálfi hiess ein Mann, Sohn des Grím und der Steinvör, einer Tochter von Flosi. Er war verheiratet mit Helga, Tochter des Ömund. Sie lebten im Norden Norwegens, im Hálogaland. Bjálfi war gross und stark, er hatte krauses, dunkles Haar und war ein gefürchteter Kämpfer. In jungen Jahren ging er auf Vikingfahrt und machte reichlich Beute. Gemeinsam mit Helga hatte er zwei Söhne, Grím und Arnar und eine Tochter, Rún. Die Kinder waren alle sehr vielversprechend.

    Einmal geriet er in Streit mit Gefolgsleuten von König Harald Schönhaar. Ausser sich vor Wut tötete er mehrere von ihnen im Kampf und schlug die restlichen in die Flucht. Fortan galt er als Geächteter. Es erschien ihm klug, Norwegen zu verlassen, also belud er im Frühjahr ein Schiff mit all seiner Habe und segelte mit Familie und Gesinde nach Island.

    Bjálfi nahm Land am Ufer des Eyafjord und liess sich dort nieder. Er war ein tüchtiger Mann und kümmerte sich gewissenhaft darum, dass alle Arbeiten auf seinem Hof auf rechte Weise ausgeführt wurden. Dabei war er umgänglich und gesprächig und wusste manchen guten Rat zu geben. Doch sobald die Dämmerung hereinbrach, wurde er wortkarg und abweisend. Die Leute erzählten sich, er sei abendschläfrig, und manche glaubten, er könne seine Gestalt wechseln.

    Im zweiten Winter auf Island erkrankte seine Frau Helga und starb kurz darauf.

    Ein Nachbar von Bjálfi hiess Hámund. Er hatte eine Tochter, Þórdís. Sie galt als die schönste Frau Islands. Ihr Haar glänzte golden und ihr Gesicht war von besonderem Liebreiz. Bjálfi bat Hámund darum, ihm Þórdís zur Frau zu geben, doch Hámund lehnte ab, denn er hielt Bjálfi nicht für ehrenhaft genug. Bjálfi geriet darob in Wut. Er sammelte seine Gefolgsleute und ritt zu Hámunds Hof. Dort kam es zum Kampf, wobei mehrere von Hámunds Männern getötet wurden. Bjálfi gelang es, Þórdís zu rauben. Er brachte sie auf seinen Hof und machte sie zu seiner Frau.

    Hámund konnte diese Schmach nicht auf sich sitzen lassen. Er forderte Bjálfi zum Holmgang heraus. Der Kampf sollte auf einer kleinen Landzunge stattfinden, die in den Eyafjord hineinragte. Hámund stürzte sich rasend vor Wut, mit vorgestrecktem Schwert auf seinen Widersacher, der den Angriff geschickt parierte. Sie hieben beide mit ganzer Kraft aufeinander ein. Bjálfi erkannte bald, dass er in Hámund einen ebenbürtigen Gegner gefunden hatte, denn Hámund war ein Berserker.

    Der Kampf dauerte viele Stunden. Bjálfi gelang es schliesslich, Hámund einen kräftigen Schwerthieb am Arm zu verpassen. Doch die tiefe Wunde blutete nicht und hinderte Hámund nicht daran weiterzukämpfen. Mit lautem Wutgeschrei warf er

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