Silbernes Band (German Edition)
„Cool“, sie kriegte zweimal „Daumen hoch“. „Die Sache hat bloss einen Haken...“, druckste Gæfa mit bittendem Hundeblick. „Dein Budget war mit den Jeans bereits ausgeschöpft“, stellte Rúna gespielt ernsthaft fest. Bevor die kleine Schwester ihr einen langen Vortrag halten konnte, warum sie dieses T-Shirt unbedingt haben musste, liess sie sich erweichen. „Okay. Wenn du schon mal hier bist, spendier ich dir das T-Shirt.“ – „Du bist die beste Schwester, die’s gibt!“ Trotz wildem Gehüpfe landeteten die dicken Schmatzer zielsicher auf Rúnas Wangen. Heiðar stand bereit, um seine Gefährtin zu retten, falls der blonde Wirbelwind noch stürmischer wurde.
Zwei Stunden später im Kaffitár an der Bankastræti: „Wo bleiben sie denn so lange?“ Ulrike blickte ungeduldig zur Tür. „Heiðar sucht bestimmt noch einen Parkplatz“, beruhigte Pétur. Er gönnte sich nach überstandenem Einkaufsbummel Kaffee und Apfelkuchen mit Sahne.
Nochmal eine Viertelstunde später: „Na endlich! Da seid ihr ja. Setzt euch, Papa spendiert Kaffee und Kuchen“, wies Ulrike auf die Teller mit Apfelkuchen und die noch leeren Kaffeetassen. „Habt ihr euch toll amüsiert im Kolaportið ?“, überging Rúna Ulrikes leisen Ärger - war doch erst zwanzig nach Vier. Sie holten sich Kaffee, setzten sich an den Tisch, den Ulrike für sie freigehalten hatte, und machten sich über den leckeren Kuchen her. Gæfa tippte eifrig ins Telefon, um Dísa von ihren neuesten Errungenschaften zu berichten und schaufelte nebenbei, ohne hinzusehen, ihren Kuchen in sich hinein.
„Hier, für dich.“ Rúna drückte Ulrike eine CD in die Hand. „Ólaf Egils!“ Ulrike kriegte glänzende Augen beim Anblick des smarten Endfünfzigers auf dem Cover. „Danke, mein Liebes!“ Rúna bekam einen dicken Kuss, dann zog die besänftigte Mama eine kleine Plastiktüte hervor. „Seht mal. Sind die nicht süss?“ Stolz zeigte sie ihre neueste Errungenschaft vom Flohmarkt – drei niedliche Hündchen aus Porzellan: ein schwarzer Pudel, ein Bobtail mit rosa Masche im Haar und ein rotbrauner Cockerspaniel.
„Mama sammelt leidenschaftlich allerlei Nippesfiguren. Du solltest mal ihre Vitrine im Wohnzimmer sehen“, informierte Rúna verschmitzt. „Der grösste Zoo Islands ist in unserem Haus zu finden. Vom Ameisenbären bis zum Zwergzebu ist alles vertreten, Tiere, die man in diesen Breitengraden überhaupt noch nie gesehen hat“, stichelte Pétur und küsste seine Ulli vorbeugend versöhnlich, damit sie nicht böse gucken musste. „Seid doch still. Heiðar kann sich das ansehen, wenn ihr uns besuchen kommt, nicht wahr?“ – „Unbedingt“, beeilte er sich zu versichern und stopfte sich rasch einen Bissen Apfelkuchen in den Mund. „Und ausserdem haben wir nicht bloss Porzellantiere – da ist auch noch unsere Ljósa, mein schneeweisses Engelchen.” – “Ihr habt eine Katze?” – “Ja genau – hat Rúna dir davon erzählt?” – “Nein, ich dachte bloss... Du hast da ein paar Katzenhaare auf dem Pulli.” – “Ohh!” Ulrike begann hektisch die weissen Härchen aus der feinen Wolle zu pflücken. “Sie ist schrecklich anhänglich, meine Ljósa, aber leider stocktaub.“ – „Aha“, erwiderte Heiðar lahm. Er sah dem Besuch bei Rúnas Familie mit gemischten Gefühlen entgegen. Arme Katze.
Rúna eilte ihm zu Hilfe. „Was hast du sonst noch gekauft, Mama?“, blickte neugierig in die Tüte eines Damenmodegeschäfts und zog eine hellrote Bluse mit langen Ärmeln hervor. „Flott. Die musst du anziehen, wenn Papa das nächste Mal mit dir ausgeht.“ – „Diese Bluse muss sie auf jeden Fall anziehen, hat schliesslich lange genug gedauert, sie zu finden“, meldete sich der geschaffte Pétur aus seiner Ecke.
Gegen halb Sechs brachen sie auf. „Ich geh zu Fuss, dann gibt es kein unbequemes Gedränge auf der Rückbank“, entschied Pétur. Heiðar nahm es mit einem schiefen Grinsen zur Kenntnis. Rúnas Vater schien kein grosses Vertrauen in seine Fahrkünste zu haben.
„Du solltest dich um einen angemessenen Fahrstil bemühen, Papa steigt sonst nie mehr zu dir ins Auto“, frotzelte Rúna, nachdem sie losgefahren waren. „So schlimm wird’s schon nicht sein. Immerhin hat er nichts dagegen, dass wir bei dir im Wagen sitzen“, erwiderte Gæfa lakonisch. Um ihn etwas zu foppen, fuhr Heiðar extra langsam an ihm vorbei, im Bewusstsein, dass Pétur ihn dabei ganz genau beobachtete. „Keine Ahnung, was mein lieber Mann
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