Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Silbernes Band (German Edition)

Silbernes Band (German Edition)

Titel: Silbernes Band (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Jaedig
Vom Netzwerk:
möglicherweise, um ihre trübe Stimmung etwas aufzulockern. Ausserdem wollte sie verhindern, dass er auf ihr Problem mit Heiðars Jagdtrieb zu sprechen kam.

    „Wie ist das eigentlich, so lange zu leben? Wird das nicht irgendwann langweilig?“ – „Keineswegs. Es ist spannend mitzuverfolgen, wie die Menschheit sich im Laufe der Jahrhunderte entwickelt hat. Besonders markant waren die Veränderungen mit dem Aufkommen der Industrialisierung. Die Städte wuchsen, überall schossen Fabriken aus dem Boden, man baute Strassen und Kanäle. Die Eisenbahn und das Automobil wurden erfunden. All das hatte auch einen grossen Einfluss auf das Leben der Unsterblichen. Wir werden seit jeher von Orten angezogen, wo viele Sterbliche sind. Dank der Inbetriebnahme von Eisenbahnlinien war es uns nun möglich, auch tagsüber unauffällig von einer Stadt in die nächste zu reisen. Wir waren nicht länger nur Geschöpfe der Nacht, die im Schutz der Dunkelheit von Ort zu Ort zogen.“ – „Klar, du konntest dich ja nicht einfach auf ein Pferd schwingen oder in die nächste Kutsche einsteigen. Und wenn du tagsüber zu Fuss unterwegs warst, musstest du das Wetter berücksichtigen.“ – „So ist es. Man kann durchaus behaupten, dass sich die Unsterblichen im Zuge des Fortschritts immer mehr unter die Sterblichen mischten.“

    Rúna lief ein kalter Schauer über den Rücken. „Du meinst, ich bin schon oft Unsterblichen begegnet, ohne es zu merken?“ Er schüttelte entschieden den Kopf. „Das bezweifle ich. Es ist nicht so, dass es von Unsterblichen wimmelt, wir sind ein überschaubares Völkchen.“ – „Du hast doch mal gesagt, Island wäre nicht besonders attraktiv für Unsterbliche. Wieviele Unsterbliche leben denn in Island?“ Fionn lachte amüsiert auf. „Eineinhalb, wenn ich das so ausdrücken darf.“ – „Was ist mit der Schweiz? Ist ja auch ein kleines Land, aber ziemlich dicht besiedelt.“ – „Zurzeit hat kein Unsterblicher seinen Wohnsitz hier. Es ist eher ein Land für die Durchreise.“ – „Du arbeitest für diese unsterbliche Gesellschaft. Gibt es Unsterbliche, die ganz normale Berufe ausüben, so wie Heiðar?“ – „Deine Neugierde würde jedem von uns zur Ehre gereichen, mein Liebes“, schmunzelte Fionn. Er schlug die Beine übereinander und streifte sein Haar zurück, bevor er ihre Frage beantwortete. „Die Europäische Gesellschaft der Unsterblichen kann unmöglich alle Mitglieder beschäftigen, daher finden sehr viele von uns ihr Auskommen in der Welt der Sterblichen.“ – „Und was arbeiten die?“ – „Nicht wenige sind in der Wissenschaft tätig. Dort kommen uns die vielfältige Lebenserfahrung, unsere Neugierde und die gute Auffassungsgabe sehr gelegen. Schlichtere Gemüter finden sich im Nachtleben, zum Beispiel als Clubbetreiber oder DJ. Eine Zeit lang war es en vogue, eine eigene Boutique, ein Kino oder Restaurant zu führen. Es gibt einige Unsterbliche, die sich den Künsten verschrieben haben: Musiker, Schriftsteller, bildende Künstler, Modeschöpfer, aber auch Schauspieler, Tänzer und Fotomodelle.“ – „Schauspieler! Wer denn?“ Ihre Laune besserte sich schlagartig. Smalltalk mit einem Unsterblichen war ein gutes Mittel, um sich abzulenken. „Das, liebe Rúna, verrate ich dir auf keinen Fall. Es gehört sich nicht, die Unsterblichkeit preiszugeben, selbst Eingeweihten oder Vertretern der eigenen Art gegenüber.“ Sie schürzte die Lippen und kniff leicht die Augen zusammen: „Sigmar Örn Sigmarsson und Bobbi Petersen ganz bestimmt nicht. Sigmar ist schon lange im Geschäft und hat sich entsprechend verändert, und Bobbi hat mal lange und mal kurze Haare. Was ist mit Guðbrandur Hilmarsson? Der sieht irgendwie immer gleich toll aus.“ – „Versuch nicht, mir etwas zu entlocken. Ausserdem sagte ich doch, dass Heiðar und ich die einzigen Unsterblichen sind, die in Island leben.“ – „Ja, klar, hab ich vergessen. Mal sehen... Es müssen Leute sein, die keine besonders lange Karriere gemacht haben, weil sonst auffällt, dass sie nicht altern. Vielleicht solche, die man als die neue Marylin Monroe oder den neuen James Dean anpreist... Genau, so wird es sein! Hab ich Recht?“ – „Du bist ganz schön penetrant. Ich sollte dich einschlafen lassen.“ Rúna biss sich gespielt verschämt auf die Unterlippe. „Okay, ich geb’s auf. Vielleicht lädst du ja mal einen dieser Typen zu dir nach Hause ein.“

    Ihr Kummer wegen Heiðar war praktisch verflogen. Sie fühlte

Weitere Kostenlose Bücher