Silbernes Band (German Edition)
auf den Ablagetisch. „Darf ich dich auf die Seite drehen?“ Die Frage war wohl eher an Heiðar gerichtet, der alles mit Argusaugen verfolgte. Morten wartete keine Antwort ab, sondern fasste sie an Schulter und Hüfte und brachte sie behutsam in Seitenlage. Als er sich noch weiter zu ihr hinunterbeugte, sah sie deutlich das flüssige Gold in seinen braunen Augen, das vom milden Licht der Nachttischlampe reflektiert wurde. „Verzeihung.“ Eine kalte Hand fuhr zum Verschluss ihres BH’s. Die eisige Berührung am Rücken liess sie erschauern. Heiðar knurrte schon wieder. Das schwarze Spitzen-Ding wurde aufgehakt und blitzschnell abgestreift. Morten musste selbst ein wütendes Knurren unterdrücken, als er den roten Schatten an ihrer linken Brust bemerkte. Heiðar konnte es zum Glück nicht sehen, das brauchte man ihm nicht auch noch zuzumuten.
„Hast du ihren Pyjama?“ Fionn streckte ihn Morten entgegen, vermied es dabei, auf Rúnas Brüste zu blicken. Sekunden später hatte Morten sie in ihren Schlafanzug gesteckt. „Ihre Füsse sind eiskalt. Sie braucht dicke Socken und wenn möglich eine Wärmflasche.“ – „Ich kümmere mich darum. Im Wirtschaftsraum liegt eine alte Wärmflasche, die ich einst für Kristín gekauft habe“, erwiderte Fionn. Er holte erst ein Paar dicke Wollsocken aus dem Ankleideraum und reichte sie Morten, dann flitzte er in die Küche, um den Wasserkocher in Betrieb zu setzen, eilte zum Wirtschaftsraum, wo er zielgerichtet einen der Einbauschränke öffnete und ins oberste Regal fasste, wo die besagte Wärmflasche lag. Der weiche Stoffbezug trug noch immer einen Hauch von Kristíns Duft. Zurück in der Küche prüfte er mit dem Zeigefinger die Temperatur im Kocher. 70 Grad Celsius reichten, also füllte er das warme Wasser in die Flasche und verschraubte sie sorgfältig, sauste dann wieder ins Schlafzimmer, wo Morten die Hand nach dem Wärmespender ausstreckte. „Danke, Fionn.“ Das rote Gummiding wurde an der Seite der Fröstelnden platziert. Heiðar rückte die Wärmflasche mit der gesunden Hand etwas zurecht. Er fühlte sich schwach und nutzlos, konnte im Moment nichts tun, damit es Rúna etwas besser ging.
„Ich muss mich umziehen, bis gleich.“ Fionn klaubte Heiðars Telefon aus der Jackentasche und legte es auf den Ablagetisch. Nach einem prüfenden Blick auf seinen Sohn ging er in sein Schlafzimmer hinüber und riss sich die durchnässten Sachen vom Leib. Der dunkelgraue Anzug war völlig runiert, also in den Müll damit. Unter der eiskalten Dusche versuchte er wieder ins Gleichgewicht zu finden. Er gestattete sich einen Moment der Schwäche, lehnte seine Stirn an die schwarz-glänzenden Fliesen der Duschkabine und schloss die Augen. Um ein Haar hätte er heute seinen Sohn verloren. Das Liebste und Bedeutendste, was er besass. Eine silberne Träne löste sich, vermischte sich mit dem fliessenden Wasser und wurde weggespült. Fionn durfte nicht länger damit hadern. Es war ihm gelungen, Rúna und Heiðar zu retten. Sie lebten, waren in Sicherheit, das allein zählte. Er griff zum Duschgel, um sich den Geruch des tödlichen Kampfes gründlich abzuwaschen, dabei lauschte er aufmerksam den Vorgängen im Zimmer von Heiðar und Rúna.
„Ich gebe dir etwas, damit du schlafen kannst“, informierte Morten, suchte sich eine Einwegspritze, eine Nadel und eine gläserne Ampulle zusammen, um eine Beruhigungsspritze vorzubereiten. Die schlotternde Rúna fühlte wieder den Griff seiner kalten Hände, die den Pyjamaärmel hochschoben und ihre Armbeuge desinfizierten. Den Einstich spürte sie hingegen kaum, nur ein leichtes Brennen, als das Medikament in die Vene gedrückt wurde. Die Bettdecke, die über sie gebreitet wurde, fühlte sich erst unangenehm kalt an, bis die Daunen ihre wärmenden Eigenschaften entfalteten. Sie schlang die Arme um die Wärmflasche, um endlich das Frösteln in den Griff zu kriegen. Heiðar liess sich von Morten dabei helfen, zu ihr unter die Decke zu schlüpfen. Er stöhnte leise und liess es wieder kühler werden, als er sich neben sie legte. Das Licht erlosch.
Rúna spürte, wie sie allmählich ruhig wurde. Mit einem Mal fühlte sie sich leicht und warm, glitt sanft in den Schlaf. Heiðar fand nicht so schnell zur Ruhe. Das Adrenalin, das nach dem Kampf durch seinen Körper rauschte, hielt ihn wach. Er konnte jetzt unmöglich schlafen, schliesslich musste er seine Gefährtin beschützen! Morten versuchte ihn zu beruhigen: „Es ist vorbei, du solltest
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