Silbernes Band (German Edition)
den blutigen Fleischklumpen über Georges Schulter. Er fiel mit einem dumpfen Platschen in die Pfütze und blieb liegen. Der todgeweihte Unsterbliche strampelte und zappelte und versuchte, sich erfolglos dieser letzten Umarmung zu entziehen. „Verabschiede dich, es ist vorbei.“ Fionn packte George’s Kopf und vollführte eine rasche Drehbewegung. Man hörte ein hässliches Knacken, als die Halswirbel brachen und ein reissendes Geräusch, als das Haupt vom Rumpf getrennt wurde. Mit einem angewiderten Knurren schleuderte Fionn den Kopf von sich.
„Heiðar!“ Fionn stürzte zu seinem Sohn und liess sich vor ihm auf die Knie fallen. Er hob die blutverschmierten Hände, unterdrückte aber den Impuls, ihn an sich zu ziehen, um ihn nicht erneut mit George‘s Blut und Gestank zu besudeln. „Ich konnte die Blutungen stoppen“, beruhigte Morten. Fionns Blick fiel auf Rúna, die äusserlich nur leicht verletzt war, doch sie stand völlig neben sich, weinte haltlos und krallte sich in Heiðars gesunden Arm. Der kühle Lufthauch liess sie aufblicken. Sie sah in eine furchterregende, blutverschmierte Fratze, die mit Fionns Stimme sprach: „Wir müssen so schnell wie möglich nach Hause. Ich kümmere mich um die Leiche und den Kadaver, und dann nichts wie los!“ Das schreckliche Monster verschwand wieder.
Fionn klemmte sich George’s Körper unter den linken Arm, klaubte nach der herausgerissenen Kehle und packte den Kopf an den Haaren. Mit der grausigen Fracht eilte er zur nahegelegenen Themse. „Verrotte, elende Kreatur!“ In hohem Bogen segelten der endgültig tote Rumpf und der eklige Fleischklumpen ins Wasser, den Kopf kickte er mit einem befreiten Knurren hinterher und sprang mit einem leisen Platschen selbst in die eisigen Fluten. Er folgte der Leiche zum Grund und beschwerte Kehle, Kopf und Körper mit grossen Steinen, um ein Auftauchen zu verhindern. Tote Unsterbliche lösten sich sehr schnell auf, aber er wollte kein Risiko eingehen. Behände stiess er sich vom Grund ab, nahm beim Auftauchen den Mund voll Themsewasser und sprang ans Ufer. Er musste noch die kleine Blutlache beseitigen, die George auf dem Asphalt hinterlassen hatte. Zum Glück war das Blut der Unsterblichen sehr dickflüssig und floss unendlich langsam, weshalb sich die Sauerei in Grenzen hielt. Fionn beugte sich über das Blut und spie das Themsewasser mit Hochdruck aus seinem Mund, um den hartnäckigen Fleck aufzulösen. Der unermüdlich prasselnde Regen half ihm dabei, die verdünnte Blutlache wegzuspülen. Dasselbe Spiel wiederholte er bei den Blutflecken von Heiðar. Es war bedeutend mehr Blut, und er musste dreimal Wasser darüber speien, bis nichts mehr zu sehen war.
Morten packte Heiðars Kleider und die gebrauchten Tupfer in einen dünnen Müllbeutel und prüfte ebenfalls gewissenhaft, ob noch mehr Blut zu Boden getropft war. Das war nicht der Fall, also wandte er sich dem toten Obdachlosen zu. „Verzeih bitte. Du hast diesen Tod nicht verdient.“ Er schloss behutsam die gebrochenen Augen, brachte die grotesk verdrehten Glieder in eine würdige Lage und richtete die zerlumpte Kleidung. Fionn sauste heran und brachte einen feinen Sprühregen brackiges Themsewasser mit sich. „Bring Rúna zum Wagen, sie braucht das nicht zu sehen.“ Er drückte kurz Mortens Schulter, obwohl er selbst kein Mitleid empfand mit dem toten Landstreicher. Für ihn war er bloss ein armer Kerl, der zur falschen Zeit am falschen Ort war.
Morten kauerte sich neben Rúna und berührte ihren Arm. „Wir bringen euch jetzt nach Hause. Es wird alles gut. Bitte lass ihn los, Rúna.“ Er musste sanft ihre Hände von Heiðars Arm lösen, hob sie vorsichtig hoch und trug sie zum Wagen.
Fionn begrub den Obdachlosen unter einem flachen Stein. Sehr wahrscheinlich würde ihn niemand vermissen. Er benutzte den Felsen als Absprungrampe, katapultierte sich aus dem Wasser, landete elegant am Ufer und strich sich die Nässe aus dem Haar. Die Themse hatte die Blutspuren im Gesicht und auf der Kleidung grösstenteils abgewaschen. Nichts wie los zu seinem Sohn, er brauchte dringend Hilfe.
Heiðar versuchte aufzustehen, um Morten zu folgen, der seine Rúna davontrug, aber er hatte nicht die Kraft sich hochzustemmen, rutschte immer wieder ab. Der linke Arm hing nutzlos herunter, und die rechte Hand war allein viel zu schwach, um seinen tauben Beinen dabei zu helfen, sich aufzurichten. „Komm her, mein Sohn.“ Fionn eilte lautlos an seine Seite und zog ihn
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