Silbernes Band (German Edition)
Spenderblutlieferungen übertragen. George nutzte die Möglichkeit, sich zu profilieren, indem er seine Aufgabe immer tadellos erledigte. Vor zwei Jahren bewarb er sich einmal mehr um eine Mitgliedschaft im Rat, die Wahl fiel jedoch auf Morten. Vermutlich kam George mit dieser erneuten Enttäuschung nicht zurecht und steigerte sich allmählich in seinen Hass hinein. Vielleicht machte er mich für sein vermeintliches Scheitern verantwortlich, obwohl wir nie grössere Probleme miteinander hatten. Denkbar wäre auch, dass er plante, sämtliche Mitglieder des Rates zu töten. Ich hatte vielleicht das Pech, der erste zu sein. Nachdem er entdeckte, dass ich eine Familie habe, wollte er mich wohl zusätzlich quälen, indem er euch in seinen Racheakt miteinbezog.“
„Ich konnte es nicht verhindern! Das macht mich fertig! Ich bin viel zu schwach und werde sie niemals richtig beschützen können!“, brach es aus Heiðar hervor. Verzweifelt barg er den Kopf in den Händen. „Schhh. Du darfst so was nicht sagen.“ Rúna nahm ihn in den Arm, achtete darauf, seine Verletzungen nicht zu berühren, um ihm nicht weh zu tun. Fionn streckte vorsichtig die Hand nach ihm aus und fasste an seine gesunde Schulter. „Du brauchst dich nicht schlecht zu fühlen. George war ein starker, kampferprobter Gegner, selbst ich hatte etwas Mühe mit ihm. Du hast nicht gezögert, dich ihm entgegenzustellen, obwohl du wusstest, dass es aussichtslos ist. Ich bin sehr stolz auf dich Heiðar, du hast tapfer gekämpft. Indem du durchgehalten hast, bis wir vor Ort waren, hast du Rúna sehr wohl beschützt. Dies war eine aussergewöhnliche Situation, mit der niemand gerechnet hat. Denk bitte ja nicht, dass alle Unsterblichen sich ständig nach dem Leben trachten. Es ist lange her, dass ich so etwas erlebt habe. Ich denke, ihr werdet nie mehr in eine ähnliche Gefahr geraten.“ – „Warum bin ich bloss ein schwaches Halbwesen?“ - „Es hat keinen Sinn, damit zu hadern. Deine sterbliche Seite hat viele Vorteile: Im täglichen Leben kannst du Rúna besser beschützen, als ich es könnte. Du verstehst ihre Bedürfnisse und lässt ihr genügend Freiraum. Ich an deiner Stelle würde jeden in Stücke reissen, der sie belästigt. Nicht sehr förderlich für eine Beziehung.“
Rúna schauderte. Fionn würde tatsächlich nicht zögern, für sie zu töten. Sie dachte darüber nach, welche Macht ihr das verlieh, erinnerte sich an seinen Vorschlag, mit Sigrið auszugehen, und war jetzt absolut überzeugt, dass er Heiðars Ex-Freundin getötet hätte.
Heiðar schien durch Fionns Worte etwas versöhnt, er wirkte nun nicht mehr so niedergeschlagen. „Was geschieht mit diesem schwedischen Unsterblichen?“ Fionn hob eine Augenbraue. „Ich habe gleich letzte Nacht beim Vorsitzenden einen Antrag gestellt, ihn vor den Rat zu bringen und zur Verantwortung zu ziehen. Der Vorsitzende hat dem entsprochen und umgehend ein Mitglied ausgesandt, um Stellans Verfolgung aufzunehmen. Stellan wurde in den letzten Jahren bereits zweimal vom Rat befragt, weil er oft unnötige Risiken eingeht und dadurch alle Unsterblichen in Gefahr bringt. George hat in beiden Fällen für ihn ausgesagt, deshalb konnten wir ihn nicht bestrafen. Das ist wohl der Grund, weshalb Stellan George in dieser Sache behilflich sein musste oder wollte. Leider war es notwendig, dem Vorsitzenden von euch zu erzählen und auch davon, was euch angetan wurde. Falls Stellan überlebt und sich vor dem Rat verantworten muss, erwartet man von euch eine Aussage.
„Nein! Ich lasse nicht zu, dass Rúna sich dem Rat stellen muss! Es ist zu gefährlich, ich gehe allein“, schnaubte Heiðar. „Der Rat hat eine gewisse Vorbild-Funktion, wir sind alle sehr zivilisiert. Du wirst gleich zu Beginn der Anhörung deinen Anspruch auf Rúna erklären, somit ist sie geschützt“, besänftigte Fionn. Rúna strich ihrem Gefährten beruhigend über den Rücken. „Ich möchte auf jeden Fall meine Aussage machen, damit so etwas nie wieder geschieht. Mir passiert schon nichts, ihr seid ja dabei. Es ist in Ordnung, wenn du deinen Anspruch erklärst. Weil... nach den Ereignissen der letzten Nacht, finde ich das gar nicht mehr so blöd, es wird mich zusätzlich schützen.“
Er nickte, blieb aber skeptisch. Heiðar wollte am liebsten nichts mehr zu tun haben mit dem ganzen Vampir-Mist, der sie fast das Leben gekostet hatte. Wäre er ein Mensch, dann würde er vielleicht über Rückenschmerzen klagen oder sich über die ersten
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