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Silicon Jungle

Silicon Jungle

Titel: Silicon Jungle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shumeet Baluja
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jetzt seid ihr an der Reihe. Wie würdet ihr anfangen, um am aussichtsreichsten Käufer von Diätpillen zu finden?«
    Stephen hob zaghaft die Hand, um einen Vorschlag zu machen, doch William legte, ohne eine Sekunde zu zögern, los: »Ich denke, ein guter Ansatz wäre die Studie von Redmon und Soffti, die dieses Jahr auf der Tagung zum Thema Erkenntnisgewinnung und Data Mining vorgestellt wurde«, sagte er gewichtig. »Sie zeigen darin die Effektivität …«
    Jaan fiel William ins Wort. »Sie meinen die Studie, in der sie die Kaufgewohnheiten von mehreren Hundert ihrer Studenten über einen Zeitraum von zwei Wochen analysiert haben, richtig?«
    »Ja, genau. Die mein ich«, bestätigte William eifrig, froh, dass sein Vorschlag Anklang bei Jaan fand.
    »Verstehe. Tja, das ist genau der falsche Ansatz«, erwiderte Jaan barsch. »Es geht hier nicht um eine akademische Übung, wo wir ein paar Leute analysieren und dann irgendwelche lächerlichen Ergebnisse …« Er bremste sich mitten im Satz. »Hört zu, heute ist euer erster Tag, da solltet ihr euch gleich Folgendes merken. Erstens, keiner von euch hat je zuvor mit solchen Datenmengen gearbeitet, wie wir sie hier haben, daher macht euch eines klar: Was immer ihr auch zu wissen glaubt, ihr wisst es nicht. Zweitens, die ganzen komplizierten Modelle und Algorithmen, die ihr an der Uni gelernt habt, braucht ihr hier nicht. Wir haben hier so viele Daten über so viele Leute, da solltet ihr euch darauf konzentrieren, wie sich alle unsere winzigen Informationsbröckchen sinnvoll zusammensetzen lassen, und es erstmal mit was Einfachem probieren – das klappt meistens ganz gut. Drittens, wir haben euch nicht genommen, weil ihr das und das studiert habt oder die und die wissenschaftlichen Arbeiten gelesen habt. Wir haben euch genommen, weil wir hoffen, dass ihr denken könnt. Dass ihr also wisst, wie man neue Probleme löst – und für euch sind alle Probleme hier neu. Ich hoffe, das klingt nicht zu esoterisch, aber lasst die Daten ihre Geheimnisse von allein preisgeben. Ein bisschen sanftes Zureden genügt da schon.« Jaans Stimme wurde weicher. »Und übrigens, Stephen, Sie müssen hier nicht die Hand heben. Wir sind ja nicht in der Schule.«
    William setzte erneut an, diesmal etwas kleinlauter: »Okay, verstanden. Wir sollten mit den Shoppingdaten anfangen. Die könnten wir enger eingrenzen, wenn wir zusätzlich die E-Mails der Leute checken und herausfinden, ob sie über Diäten kommunizieren. Jaan, falls möglich, hätte ich gern Zugriff auf die E-Mails. Dann wäre da noch die Möglichkeit …«
    Jaan schnitt ihm erneut das Wort ab. »Wenn wir die Daten haben, habt ihr auch Zugriff darauf. Das hier ist ein wichtiges Projekt, wenn ihr es also für sinnvoll erachtet, bestimmte Daten zu benutzen, fragt mich nicht danach – benutzt sie einfach. Aber bevor wir irgendwas machen, möchte ich, dass ihr einen Plan formuliert. Macht ein Brainstorming, lasst euch was einfallen, irgendwas Stimmiges. Durchforstet nicht planlos unsere Daten. Es sind zu viele. Das wäre Zeitverschwendung und bringt euch nicht weiter.«
    »Wie lange haben wir für das Projekt?«, fragte Stephen.
    »Nun ja, ich hatte versprochen, bis heute Abend Probeläufe zu starten, aber ich glaube, wir können das um einen Tag nach hinten verschieben.«
    Stephen und die übrigen Praktikanten waren wie vor den Kopf geschlagen. »Selbst wenn wir uns einen Plan einfallen lassen, wir können unmöglich alle Logs und alle User so schnell durchsuchen«, wandte Stephen ein.
    »Immer mit der Ruhe«, sagte Jaan, »ihr müsst euch ja nicht alles ansehen. Wir führen diese Studie bloß mit Usern in den USA durch. Fangt mit diesen zweihundert Millionen an. Ein paar von den fertigen User-Profilen, die wir bereits haben, werden euch helfen.«
    »Zweihundert Millionen? Bis morgen Abend?«, fragte Stephen fassungslos.
    Jaans ernste Miene verschwand, und ein Grinsen machte sich auf seinem Gesicht breit, als er sich erhob. Er hatte nur auf den richtigen Zeitpunkt gewartet, um das loszuwerden. »Ich gebe euch ganz Indien«, sagte er in einem Tonfall, von dem man nicht mit Sicherheit sagen konnte, ob er vielleicht spöttisch gemeint war.
    Er fuhr fort, die Augen so weit aufgerissen, dass er fast ein bisschen besessen wirkte. »Wir haben in unserem Datenzentrum in Indien 139 000 Rechner, die den Datenverkehr bewältigen, der dort tagsüber aufkommt. Wenn ihr so weit seid, Daten zu crunchen, ist es in Indien zum Glück schon Abend, und

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