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Silo: Roman (German Edition)

Silo: Roman (German Edition)

Titel: Silo: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hugh Howey
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noch einmal angreifen würde, stattdessen wich er
zurück, er zog das verletzte Bein nach, ein Junge von höchstens vierzehn oder
fünfzehn Jahren.
    »Bleib, wo du bist!«
Juliette hob das Messer in seine Richtung. Die Augen des Jungen waren geweitet
vor Angst. An der hinteren Wand drängte sich eine Gruppe Kinder auf einem
kleinen Matratzenlager zusammen. Sie klammerten sich aneinander fest und
starrten Juliette an.
    Juliette war
vollkommen verwirrt. Das konnte doch alles nicht sein. Wo waren die
Erwachsenen? Sie spürte, wie die Eltern hinter ihrem Rücken über den dunklen
Gang schlichen, zum Angriff bereit. Die Kinder hatten sie zur Sicherheit hier
weggesperrt. Die Ratten würden zurückkommen und sie bestrafen, weil sie ihr
Nest aufgescheucht hatte.
    »Wo sind die
Erwachsenen?«, fragte sie. Sie ließ den Blick durch den Raum schweifen und sah,
dass der Junge, der sie angegriffen hatte, der Älteste war. Ein Mädchen im
Teenageralter saß wie erstarrt auf den Decken, zwei kleinere Jungen und ein
Mädchen klammerten sich an sie.
    Der Junge sah an
seinem Bein hinunter. Auf seinem grünen Overall breitete sich ein Blutfleck
aus.
    »Wie viele seid
ihr?« Juliette trat näher. Die Kinder hatten ganz offensichtlich mehr Angst vor
ihr als sie vor ihnen.
    »Lass uns in Ruhe!«,
schrie das ältere Mädchen. Sie hielt etwas an ihre Brust. Das kleine Mädchen
neben ihr drückte das Gesicht in den Schoß der Größeren und versuchte, sich zu
verstecken.
    »Wie seid ihr
hierhergekommen?«, fragte Juliette. Sie hielt das Messer auf den großen Jungen
gerichtet. Er sah sie verwirrt an und verstand die Frage gar nicht.
    »Ihr seid hier unten
geboren worden, nicht wahr?«
    Niemand antwortete.
Juliette blickte über ihre Schulter zurück.
    »Wo sind die
Erwachsenen? Wann kommen eure Eltern wieder? Wie lange bleiben sie weg?«
    »Nie«, kreischte das
Mädchen. »Sie sind tot!«
    Ihr Mund blieb nach
dem Schrei offen stehen, das Kinn zitterte. An ihrem jungen Hals traten die
Sehnen hervor.
    Der ältere Junge
drehte sich um und starrte sie an, offenbar, um sie zum Schweigen zu bringen.
Juliette versuchte zu verstehen, wie es sein konnte, dass sie noch Kinder
waren. Sie wusste, dass sie nicht allein sein konnten. Solo war definitiv von
jemandem angegriffen und übel zugerichtet worden.
    Ihr Blick wanderte
zu dem Schraubenschlüssel, den der Junge fallen gelassen hatte. Es war Solos.
Die Rostflecken waren unverkennbar. Aber wie war das möglich? Solo hatte gesagt …
    Juliette fiel ein,
was genau Solo gesagt hatte. Ihr ging auf, dass diese Kinder, dass dieser junge
Mann etwa in dem Alter war, in dem Solo sich selbst vermutlich immer noch sah.
In genau dem Alter, in dem man ihn allein gelassen hatte. Waren die letzten
Überlebenden des unteren Bereichs womöglich erst vor wenigen Jahren verstorben?
Hatten sie diese Kinder zurückgelassen?
    »Wie heißt du?«,
fragte Juliette den Jungen. Sie ließ das Messer sinken und hob beschwichtigend
die Hand. »Ich bin Juliette«, sagte sie. Fast hätte sie hinzugefügt, dass sie
aus einem anderen Silo kam, aus einer weniger trostlosen Welt, aber sie wollte
die Kinder nicht überfordern.
    »Rickson«, sagte der
Junge stolz. »Mein Vater war Rick, der Klempner.«
    »Rick, der
Klempner.« Juliette nickte. An der Wand sah sie zwischen allen möglichen
anderen Gebrauchsgegenständen ihre gestohlene Werkzeugtasche. Ihre
Ersatzkleidung hing aus der offenen Tasche heraus. Ihr Handtuch würde ebenfalls
darin sein. Sie rutschte näher an die Tasche heran, ein Auge auf die im Bett
zusammengedrängten Kinder, auf das Nest, vor allem auf den älteren Jungen.
    »Also, Rickson, ich
möchte, dass ihr eure Sachen zusammenpackt.« Sie hockte sich neben ihre Tasche
und suchte nach ihrem Handtuch. Sie zog es heraus und trocknete sich endlich
ihre nassen Haare, ein unvorstellbarer Luxus. Auf keinen Fall würde sie diese
Kinder hier zurücklassen. Sie wandte sich wieder zu ihnen um, das Handtuch um
den Hals gelegt – und sämtliche Kinder starrten sie wortlos an.
    »Na los«, sagte sie.
»Sucht eure Sachen zusammen. Ihr könnt doch nicht so allein hier unten …«
    »Lass uns einfach in
Ruhe«, sagte das ältere Mädchen. Die beiden Jungen hingegen waren vom Bett
aufgestanden und suchten ein paar Dinge zusammen. Sie sahen unsicher zwischen
dem Mädchen und Juliette hin und her.
    »Geh einfach dahin
zurück, wo du hergekommen bist«, sagte Rickson. Die beiden älteren Kinder
schienen sich gegenseitig zu bestärken.

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