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Sils Maria: Kriminalroman (German Edition)

Sils Maria: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Sils Maria: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sobo Swobodnik
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Wald.
    Der nächste Kältetote, dachte Plotek, während er ganz arglos in das tote Antlitz mit den geschlossenen Augen blickte. Einerseits furchtbar. Andererseits dürfte jetzt die fesche Hauptkommissarin aus Chur bald wieder hier auftauchen. Was Plotek wiederum erfreute. So bringt jeder Nachteil eben auch einen Vorteil mit sich.
    Nachdem Plotek lange genug in das Gesicht geblickt hatte, sah er vom Boden auf. Und Überraschung: Das Reh war verschwunden. Plotek wollte aufstehen, konnte aber nicht. Erstens schmerzte sein rechtes Bein, und zweitens fiel plötzlich, als hätte der Schütze nur auf eine Regung von Plotek gewartet, ein weiterer Schuss.
    Verdammt noch mal, was ist denn hier los?, dachte Plotek noch und krabbelte auf allen vieren zurück zur Straße. Als er völlig erschöpft und durchnässt, mit roten Händen und noch immer schmerzendem Bein, an der Straße ankam, steuerte langsam, fast im Schritttempo, ein Jeep den Berg herunter und auf ihn zu. Plotek winkte wie ein überforderter Fluglotse und schrieb Zeichen in die Luft. Der Fahrer schien zu verstehen und hielt an. Es war ein vielleicht fünfundzwanzigjähriger Mann, groß, braun gebrannt und mit schwarzem, dichtem Haar. Ein stattlicher, ein schöner Mann. Auf dem Beifahrersitz saß eine ebenfalls junge Frau.
    Der Mann stieg aus dem Wagen, und Plotek versuchte, indem er immer wieder in den Wald deutete, zu erklären, was vorgefallen war.
    »Da drin liegt ein Toter«, wiederholte er zum dritten Mal, wie man sagt: »Meine Ehe ist die Hölle!«
    Langsam schien der junge Mann zu verstehen. Er griff in seine Jackentasche und holte ein Mobiltelefon heraus.
    »Außerdem ballert da jemand wie verrückt herum«, schob Plotek nach.
    »Jäggi.«
    »Hä? Nein, nein, Elvis.«
    »Hä?« Jetzt schien der junge Mann doch wieder Verständnisschwierigkeiten zu haben.
    »Der Tote sieht aus wie Elvis.«
    »O Gott, auch das noch!« Der junge Mann war anscheinend tatsächlich betroffen. So sehr, dass das Braungebrannte aus seinem Gesicht zeitweilig verschwand.
    »Und wer ballert …«
    »Na Jäggi«, kam trocken aus dem Mund des Mannes. »Jäggi jagt. Da vorne auf dem Hochsitz.«
    Wie zur Bestätigung knallte es wieder.
    »Ich dachte, Jäggi ist Dorfpolizist …«
    »Pensionierter Dorfpolizist.«
    »… und kein Jäger.«
    »Er ist auch kein Jäger, hat aber einen Jagdschein und jagt.«
    »Rehe?«
    »Auch Rehe.«
    Dachte ich’s mir doch, dachte Plotek.
    »Ich ruf ihn an.« Der Mann tippte eine Nummer in sein Handy ein.
    Während er mit dem Dorfpolizisten redete, stieg die junge Frau aus dem Wagen aus. Auch sie war eine beeindruckende, eine schöne Person.
    »Ich werd verrückt«, war das Erste, was sie sagte. Und dann: »Plotek!«
    Plotek sah sie an, als wäre sie das Reh.
    »Erkennst du mich nicht mehr?«
    Nein, er erkannte sie nicht.
    »Ich hätte dich auch beinahe nicht wiedererkannt. Du bist dünner geworden, hast ziemlich abgenommen, was?«
    Na ja, nach zwei Tagen Fasten sicherlich fünf, sechs Kilo, dachte Plotek, offenbar so viel, dass man es schon sehen konnte.
    »Bist du krank?«
    Er schüttelte den Kopf, sagte aber nichts. Noch immer fiel bei ihm kein Groschen.
    »Ich bin Agatha«, sagte sie, als wäre damit alles klar.
    Aber denkste! Nichts war klar.
    »Agatha?«
    »Na, so lange ist es nun auch wieder nicht her. Ich bin die Schweizer Stipendiatin. Cismar, Ostsee, Campingplatz! Na, macht’s klick?!«
    Und ob es klick machte. Jetzt dämmerte es Plotek. Das war die schwangere Schweizerin mit Hang zur Lyrik! Bei der Geburt ihres Kindes damals an der Ostsee wurden Vinzi und Plotek unfreiwillig zu Geburtshelfern.
    Als könnte Agatha Ploteks Gedanken lesen, öffnete sie die Hintertür des Wagens und holte ein kleines, dick eingepacktes Mädchen mit roten Wangen heraus.
    »Das ist sie! Kyra.«
    Kyra, dachte Plotek, hieß so nicht die Bestsellerautorin, die zu ebenjener Zeit in Cismar ermordet wurde? Agatha bestätigte mit einer Kopfbewegung, als wäre sie nach wie vor Ploteks Gedanken auf der Spur. »Zum Gedenken.«
    Der junge Mann hatte das Gespräch mit dem Dorfpolizisten Linard Jäggi bereits beendet und stand während des kurzen Wiedersehensgeplauders von Plotek und Agatha wie betröppelt daneben. Er hörte den beiden zu und sah dabei so aus, als verstünde er nicht allzu viel.
    »Das ist Beat, mein Freund.« Agatha zeigte auf den jungen Mann, wie man auf einen kostbaren Dressur- und Zuchthengst zeigt. Eine Art Highflyer, englisches Vollblut mit Gewinngarantie. Er

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