Silver - Erbe der Nacht (German Edition)
also , dachte sie verwirrt, als ihr Vater sie vorsichtig auf dem Boden absetzte.
Die MACHT war an dieser Stelle so intensiv, dass sie alle ihre Empfindungen verstärkte. Winter sah sich um und betrachtete jedes Detail des Raums, in dem sie sich befand: die steinernen Wände, das an einigen Stellen eingestürzte Kreuzrippengewölbe, die Trümmer auf dem Boden. Viele Einzelheiten sah sie nicht wirklich, sondern nahm eher ihre Gegenwart wahr. Und im Hintergrund spürte sie die Besorgnis von Morgan und Dougall.
»Ich will euch nicht aufschrecken«, sagte Dougall bedauernd, »aber ich fürchte, wir bekommen gleich Besuch.«
Das war keine erfreuliche Nachricht und Madison stöhnte auf.
»Ich denke, wir sollten uns beeilen, diese Krone zu finden«, meinte sie und schaltete ihre Lampe an. Obwohl alle einen Vorrat an Batterien dabeihatten, machten sie die Taschenlampen immer abwechselnd an, um nicht das Risiko einzugehen, im Dunkeln zu stehen.
Wenn etwas schiefgehen würde, könnte es passieren, dass sie Tage im Untergrund verbringen mussten …
Winter erhob sich langsam und begann leicht schwankend die Krypta abzuschreiten.
Sie betrachtete die Statuen und die Friese an den Wänden. Sie erinnerten sie an die Ausschmückungen mittelalterlicher Kathedralen oder die Ausstellungsstücke, die sie im British Museum gesehen hatte: Wasserspeier, Ritter, Edelfrauen …
Respektvoll ertasteten ihre Finger die Konturen.
Im hinteren Teil des Raums war die Decke an mehreren Stellen eingestürzt und hatte die meisten Statuen unter sich begraben.
»Dort«, flüsterte sie unvermittelt.
Morgan und Dougall sahen sie an, blieben aber am engen Eingang stehen, die Muskeln kampfbereit. Danny hielt sich an ihrer Seite.
Madison und Gareth hingegen folgten ihr zwischen die Trümmer. Sie stiegen über Schutt und Erde und endlich wusste Winter, dass sie gefunden hatte, was sie suchte.
Die übernatürliche Strahlung an dieser Stelle ließ ihre Haut kribbeln.
Auf der Erde lagen, halb von Schutt verdeckt, die würdevollen Figuren eines Mannes und einer Frau in vornehmer Kleidung.
Rowena und Hereward , erkannte sie sofort und dankte Bethan für die Geschichtsstunden. Die Gründer des Rats der beiden Geschlechter.
Im Gegensatz zu vielen anderen Darstellungen aus jener Epoche trugen sie keinerlei stereotype Züge. Jede Falte ihres Gewands, jede Linie ihres Gesichts war meisterhaft gestaltet. Ihre Arme waren nicht auf der Brust verschränkt, sondern ruhten entspannt neben dem Körper. Sie lagen da, als schliefen sie.
Winter kniete sich hin und begann, sie von der Erde, die sie bedeckte, zu befreien. Gareth und Madison folgten sogleich ihrem Beispiel, und sie arbeiteten immer schneller.
Am anderen Ende des Raums eskalierte währenddessen die Situation.
Morgan, Dougall und Danny waren schon eingekreist, bevor die drei Jugendlichen bemerkten, dass sie Besuch bekommen hatten.
Winter sprang auf, um zu ihnen zu laufen, aber Gareth zog sie hinunter und legte ihr die Hand auf den Mund.
Mit ein bisschen Glück würde der Schutt verhindern, dass die Eindringlinge sahen, wo sie sich befanden.
»Warte«, flüsterte er ihr ins Ohr. Er sah sich besorgt um.
Die Taschenlampen hatten ihre Anwesenheit schon verraten und die Vampire hätten jeden ihrer Schritte verfolgen können, wenn sie versucht hätten wegzulaufen. Sich den Wölfen zum Fraß vorzuwerfen, war allerdings auch keine überzeugende Alternative.
»Das war wirklich nicht nett, euch ganz allein vergnügen zu wollen«, sagte Vaughan mit vorwurfsvollem Blick auf Morgan und Dougall. »Und dabei war ich es doch, der euch auf die Spur gebracht hat …«
Er erhielt keine Antwort. Die beiden Vampire und der Polizist verharrten voller Wut im derben Griff der riesigen Vampire, die sie angegriffen hatten.
»Wachtmeister Roberts«, fuhr Vaughan fort, »soweit ich mich erinnere, haben Sie bei unserem letzten Treffen auf mich geschossen.«
»Schade, dass er nicht besser getroffen hat«, warf Dougall sarkastisch ein. Einer der Vampire boxte ihn in den Magen, bevor eine Geste seines Anführers ihn wieder zur Ruhe brachte.
Vaughan ging an ihnen vorbei und bewegte sich langsam durch die Ruinen.
»Seid nett zu meinen alten Weggefährten«, befahl er seiner kleinen Truppe. »Du kommst mit mir, Crow.«
Er konnte Winters Nähe in der Dunkelheit deutlich spüren. Ihre berauschende MACHT verschmolz auf mysteriöse Weise mit diesem Ort, als sei sie ein Teil von ihm.
Winter und ihre Freunde im Untergrund …
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