Silver Moon
wendete.
»Du bist gewiss Kira, ich heiße dich herzlich willkommen! Ich habe ja schon so viel von dir gehört und freue mich außerordentlich, dich endlich persönlich kennenzulernen! Aber vor allem freue ich mich darüber, dass ihr alle zu unserem Dakota-Camp-Fest gekommen seid! Ich bin übrigens Kaya, die Mutter von Anouk«, sagte sie in einer liebenswerten Art und Weise und schloss mich herzlich in ihre Arme. Während ich ihr leicht benommen meinen Bruder Nino vorstellte, legte Anouk das neue Besteck an den Rand des Buffets. Dabei schaffte es Kai nicht, seine interessierten Blicke, die er Anouk immer dann zuwarf, wenn sie gerade wegschaute, vor mir zu verbergen. Ich musste schmunzeln, sie gefiel ihm ganz offenbar.
Plötzlich bemerkte ich ein bekanntes Gesicht, das lächelnd auf uns zukam. Es war Robert Black Bird, der abrupt stehen blieb. Mir lief ein Schauer über den Rücken, als ich diesen alten Mann sah, dessen imposante Ausstrahlung niemanden kalt ließ und der mir in geringer Entfernung gegenüberstand und als Zeichen seiner Friedfertigkeit die Hand zum Gruß erhob. »Hau Kola«, sagte er.
Ich wusste von Mia, dass es ›Hallo, Freund‹ hieß und eine vertraute Begrüßung der Sioux war. Ich nickte ihm zaghaft zu, aber da kam er schon näher und schloss mich in seine starken Arme.
»Kira, ich hatte mir gewünscht, dass du kommen würdest, und hier bist du, mit deinen Geschwistern. Du kannst dir nicht vorstellen, wie sehr mich das freut!«
»Ich freue mich auch, dass es geklappt hat! Das sind übrigens meine Brüder, Kai und Nino!« Während Bob die beiden begrüßte, blickte ich neugierig hinter ihn, lugte an der anderen Seite vorbei und sah mich interessiert um … Meine Augen suchten Sakima, ich konnte ihn aber nirgends entdecken und hielt die Ungewissheit nicht mehr aus. »Geht es Sakima gut? Ist er in Ordnung? Kam er gestern heil nach Hause, und ist er jetzt in seiner Hütte?«, fragte ich in die Stille. Bob lächelte mich an. »Mach dir keine Sorgen um Sakima, ihm geht es gut. Er ist heute Abend nicht in seiner Hütte, sondern in unserem Haus. Aber du solltest jetzt mit uns feiern und das Fest genießen. Komm doch mit mir ans Lagerfeuer!«, forderte er mich auf und bat Kaya: »Wärst du so lieb und würdest uns einen frischen Tee brühen?«
»Natürlich! Kommt sofort!«
Anouk nahm unterdessen Kai an die Hand. Er wirkte überrascht und schüchtern, so kannte ich ihn gar nicht. Sie lächelte und zog ihn mit zu den Kindern, die gerade Murmelspiele machten. Mia folgte ihnen und Nino packte einen Zeichenblock aus, setzte sich abseits an den Weidezaun und begann zu malen. Er sah immer wieder zu den Tipis und dem imposanten Feuer, das in den Nachthimmel loderte. Das würde gewiss ein wunderschönes Gemälde werden, dachte ich und folgte Bob. Wir setzten uns gemeinsam auf eine kleine Bank. Es war angenehm, neben ihm zu sitzen. Er strahlte fast den gleichen Frieden aus, den ich sonst in Sakimas Gegenwart kosten durfte. Als ich an ihn dachte, verlangte mein Herz nach ihm. Wäre er doch nur hier …
»Wie geht es dir, Kira?«, fragte Bob plötzlich und holte mich mit seinen Worten aus meinen Gedanken. Ich war leicht perplex.
»Gut«, antwortete ich kurz. Er drehte sich zu mir und schob meinen linken Ärmel hoch, sodass die Mullbinde sichtbar wurde. Beschämt und irritiert zugleich zog ich den Ärmel wieder runter.
»A… alles bestens«, stotterte ich und war verlegen.
Bob versuchte mir in die Augen zu schauen, aber ich brach den Blickkontakt ab und starrte nach unten. Plötzlich spürte ich seinen Zeigefinger, der sacht unter mein Kinn wanderte, um es anzuheben. Jetzt war ich gezwungen, ihn anzusehen. »Kira, ich weiß, was gestern Abend bei euch geschehen ist. Und ich weiß, dass dein Vater dich mit einem Messer verletzt hat – ein unverzeihliches Vergehen! Ich weiß es von Sakima. Nicht nur du machst dir Sorgen um ihn, sondern er sich auch große Sorgen um dich! Du musst wissen, Sakima ist ein besonderes Wesen; das hast du sicherlich schon bemerkt. Er kann die Menschen verstehen, und ich verstehe ihn! Und jetzt sage mir: Wie geht es dir wirklich?«, fragte er ruhig und fuhr mir sacht über die Stirn, wobei meine dortige Blessur auch noch zum Vorschein kam.
›Sakima ist ein besonderes Wesen‹, spukte es mir durch den Kopf. Ja, das war er, eindeutig! »Mir geht’s gut, wirklich! Mein Arm tut kaum weh und die Beule ist bald wieder vergessen.«
»Mag sein, aber es werden seelische Spuren
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