Sind wir nun gluecklich
und Väter denken bei der Erziehung ihrer Kinder zuallererst an die Wahl der »richtigen Schule«, weil sie davon ausgehen, eine gute Schule sei die halbe Miete. Nach meiner eigenen Erfahrung zu urteilen, hängt die Tatsache, ob es sich um die »richtige Schule« handelt, vor allem von den »richtigen Lehrern« ab. Erst sie machen eine wirklich gute Schule aus. Ob ein Kind gesund und ohne eine Abneigung gegen das Lernen aufwächst, positive Angewohnheiten und ein gesundes Selbstbewusstsein entwickelt, ist zuallererst eine Frage der geeigneten Lehrer. Unser Lebensweg wird in jeder Phase davon bestimmt, ob wir unterwegs den passenden Erziehern begegnet sind.
Vielleicht habe ich einfach Glück gehabt, denn obwohl meine Resultate in der Schule sehr schwankend waren – mal war ich unter den Besten, mal gehörte ich zu denen, die beinah durchfielen – und ich von Lehrern immer wieder kritisiert worden bin, haben sie mich immer ermutigt. Niemand von ihnen hat mir mein Selbstbewusstsein zerstört; und es ist der Umsicht der Lehrer zu verdanken, dass ich immer unverzagt weitergemacht habe.
Bei einem Klassentreffen vor ein paar Jahren war auch unser alter Klassenlehrer Herr Liu anwesend. Beim Abschied begleiteten wir ihn hinaus und umarmten ihn. Als wir seiner Silhouette nachsahen, die sich langsam, sehr langsam entfernte, bemerkten wir plötzlich, wie alt er geworden war, sein schlohweißes Haar, seine nicht mehr sehr flinken Bewegungen, wie er, gestützt auf seinen Sohn, einen Schritt vor den anderen setzte. Wie konnte er plötzlich so alt geworden sein? In unserer Erinnerung war er immer noch der Lehrer, der einst von morgens um sieben bis abends um neun über uns wachte, uns die großen Zusammenhänge lehrte und sich um die kleinen Dinge kümmerte, ein Mann mit scharfer Zunge und weichem Herzen, von agiler Gestalt. Nun, er musste wohl alt werden, so wie wir selbst keine Kinder mehr sind. Aber wir werden ihn immer so in Erinnerung behalten, wie wir ihn von früher kannten.
Auf der Universität herrschte zwar nicht mehr die gleiche enge Lehrer-Schüler-Beziehung, aber dank dem besonderen Geist der achtziger Jahre entwickelte sich auch hier eine selten herzliche Verbindung zwischen Studenten und Dozenten. Besonders in den stürmischen Zeiten kurz vor unserem Examen wurden die Lehrer zu unseren Schutzengeln und sorgten sich um uns wie Vater und Mutter. Normalerweise kommen und gehen für Universitätslehrer die Jahrgänge; ist der eine abgeschlossen, kümmert man sich um den nächsten. Doch vor dem besonderen Hintergrund unserer Zeit damals verfolgten unsere Hochschullehrer noch lange die unterschiedlichen Wege, die ihre Studenten nach dem Examen gingen, und wir blieben uns verbunden. Daher kamen zum Beispiel beim siebzigsten Geburtstag unseres ehemaligen Hochschullehrers Cao Lu die Studenten meines Jahrgangs aus dem ganzen Land zusammen, um zwei Tage lang wie eine Familie fröhlich mit unserem Lehrer zu feiern. Ich weiß nicht, ob heute, wo die Zeiten weniger stürmisch sind, auf dem Campus immer noch solche engen Bindungen zwischen Studenten und Professoren geschlossen werden.
Cao Lu gehörte während unserer Zeit schon zu den älteren Professoren, deshalb waren unter unseren Dozenten auch einige Schüler von ihm, die engen Bindungen hielten also über mehrere Generationen. Unser Jahrgangstutor Ding Junjie war daher auch ein ehemaliger Schüler von Professor Cao. Unser Campus bot ein Bild familiärer Eintracht und Stoff für viele Familiengeschichten.
Ein Schüler Cao Lus stieg in den achtziger Jahren kometenhaft in der Welt der Literatur und der Nachrichten auf. Seine Reportagen gingen weit über die Literatur und die Nachrichten hinaus und drückten der öffentlichen Meinung einen prägenden Stempel auf. Uns Studenten der Medienwissenschaft hallte sein Name wie Donner in den Ohren. Nur wenig später kam er an unsere Universität, wurde unser Lehrer und unterrichtete uns in Reportageliteratur. Ehrlich gesagt waren seine Berichterstattungen wirklich sehr gut geschrieben, aber sie reichten nicht an seinen fabelhaften Unterricht heran. Wer Gelegenheit hatte, diesen Mann, dessen Stimme uns wie Donner in den Ohren klang, in natura zu erleben, der erfuhr einen ganz besonderen Unterricht.
Da er in die damaligen Unruhen involviert war, ging er anschließend in die USA, ohne je zurückkehren zu können. Wenige Jahre später folgte ihm seine Frau aus Liebe nach. Was wie ein glückliches Ende aussah, verwandelte sich kurz
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