Sinfonie des Todes
Büros – wenn man das Schlafzimmer überhaupt so nennen kann?«
»Ich habe nicht direkt danach gesucht«, gestand Oskar ein. Er lächelte schelmisch, als er meinte: »Ich glaube aber, dass ich irgendwo im Wohnzimmer ein paar stark abgegriffene Exemplare von Andréa de Nerciat und Prosper Jolyot de Crébillon herumliegen sah.«
»Da hat die Dame des Hauses wohl nicht sauber aufgeräumt«, bemerkte Kronenfeldt scharfzüngig.
»Lassen wir die schmutzigen Gedanken beiseite«, meinte der Inspektor. »Wir wissen nicht, wer diesen Schund gelesen hat, und wir wollen dieser Person auch keine Vorwürfe machen. Kommen wir lieber auf unser weiteres Vorgehen zu sprechen. Wir haben von Frau Fichtner einige Namen bekommen, die wir unter die Lupe nehmen sollten. Wie gehen wir vor? Irgendwelche Anregungen?«
»Wir haben das Protokoll noch nicht aufgenommen«, gab Werlhoff zu bedenken. »Es wurde einfach zu spät letzte Nacht. Ich schlage vor, dass Theodor und ich nochmals zu Frau Fichtner gehen, um das nachzuholen. Außerdem müssen wir noch die Anwohner befragen. So ein Schuss muss doch in der Nachbarschaft Aufmerksamkeit erregt haben.«
»Gute Idee«, bestätigte der Inspektor. »Dann werde ich jetzt gleich diesem Otto Schlözer einen Besuch abstatten. Und morgen Vormittag suche ich das Gerichtsmedizinische Institut auf; ich vermute, dass bis dahin die Leiche obduziert sein wird. Sobald wir Näheres wissen, beraten wir weiter. Ich denke, wir legen eine zweite Besprechung auf morgen, etwa um 14 Uhr. Einverstanden?«
Erst als sich die Gruppe bereits aufgelöst und in alle Windrichtungen zerstreut hatte, kam Cyprian von Warnstedt in den Sinn, dass es ihm entfallen war, sich nach dem Kassenbuch zu erkundigen, das man unter Wilhelms Stirn gefunden hatte. Er prägte sich ein, dieses Versäumnis nachzuholen, und machte sich auf den Weg zu Schlözers Adresse.
Er verließ das Polizeigebäude und bestieg einige Meter weiter eine Pferdetramway, die soeben angehalten hatte.
Otto Schlözer wohnte im Spittelberg, einem Teil der Vorstadt Neubau, die wegen ihrer Elendsquartiere einen miesen Leumund hatte. Dirnen und Kleinkriminelle fanden hier Unterschlupf. Lina Fichtners Angaben war zu entnehmen, dass Schlözer ein Gasthaus besaß, und Warnstedt ahnte bereits, was für ein Ambiente ihn in diesem verruchten Viertel erwarten würde.
8. Kapitel
Kalter Rauch und Fettgeruch hatten sich in den Vorhängen und den abgenutzten Polstern der Bänke festgesetzt und Warnstedt versuchte, möglichst flach zu atmen, als er das Lokal betreten hatte. Nur wenige Gäste saßen an den Tischen und starrten mit Augen, denen jeglicher Ausdruck abhanden gekommen war, vor sich hin. Der Inspektor bahnte sich einen Weg zwischen den Stühlen hindurch zum Tresen, welcher die gesamte Hinterfront des Raumes einnahm. Er griff nach dem rostigen Glöckchen, das auf der Theke lag, und klingelte. Ein dicker Mann erschien in einer Tür, die offensichtlich zur Küche führte. Er wischte sich die Hände an seiner Schürze ab.
»Ja?«, brummte der Wirt unfreundlich.
Warnstedt zeigte seinen Ausweis. »Ich suche einen gewissen Schlözer. Otto Schlözer.«
»Das bin ich. Worum geht es? Ich habe nicht viel Zeit.«
Die Miene des Wirtshausbesitzers hatte sich verfinstert. Misstrauisch studierte er den Ausweis, den ihm der Inspektor immer noch entgegenhielt.
»Sagt Ihnen der Name Wilhelm Fichtner etwas?«
Der Wirt fuhr sich durch seine schon ziemlich schütteren Haare, in denen kleine Schuppenstücke glänzten. Die fettigen Strähnen des Mannes, die schmutzige Schürze, die sich um den runden Bauch spannte, das speckige Hemd und der Gestank, der allgegenwärtig zu sein schien, machten Cyprian die Vorstellung unmöglich, jemals auch nur ein Stück Brot hier zu essen. Er fragte sich, wie der Wirt mit dieser Spelunke überleben konnte.
»Ja, ich kenne Wilhelm. Er schaut ab und zu hier vorbei. Warum? Was ist mit ihm? Hat er was angestellt?«
Warnstedt steckte den Polizeiausweis in die Jackentasche zurück. »Stimmt es, dass er sich gestern Abend in diesem Wirtshaus aufgehalten hat?«
Schlözer zuckte mit den Achseln. »Möglich.«
Der Inspektor hob die Augenbrauen. »Möglich? Was heißt das? War er nun hier oder nicht?«
Der Wirt seufzte. »Ja, war er.«
»Wann ist er gegangen?«, erkundigte sich Cyprian.
Schlözer begann, ungeduldig hinter der Theke auf und ab zu gehen. »Können Sie mir nicht endlich sagen, worum es geht? Ist etwas passiert?«
Warnstedt wiederholte
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