Sintflut (German Edition)
kannst und bring es in dein Land – so sehen die alten Knacker das heute noch, wenn auch klammheimlich. Das ist natürlich untragbar. Fundstücke gehören ohne Wenn und Aber dem Land, in dessen Boden sie gefunden werden. Und für unseren Fall hier gehe ich sogar noch ein Stück weiter: Der Schatz gehört Pluton. Die Dorfältesten bestimmen, was damit geschehen soll. So, wie sie es all die Jahre getan haben. Niemand soll sich an dem Schatz bereichern, die Figuren sollen der Öffentlichkeit zugänglich gemacht und würdig präsentiert werden. Und wenn der Staat eine Gefahr für den Schatz darstellt, weil er dumm und korrupt ist, muss man den Schatz eben vor ihm schützen. Nichts Anderes will ich. Schon vor Wochen hatte ich den Verdacht, dass die Arche Noah nicht alles war, was es hier zu entdecken gab. Auf einige Fragen bekam ich hier einfach keine Antwort und das machte mich stutzig. Schon damals habe ich mich mit Theo beraten, der sich in Sachen Schmuggel bestens auskennt und mir ein paar gute Tipps gegeben hat.«
»Ach du Scheiße, du hast was?«, frage ich entsetzt. »Du hast dich mit deinem Kollegen Theo ausgetauscht? Bist du noch ganz bei Trost?«
»Keine Sorge«, sagt Paula düster. »Der arme Theo kann nichts mehr ausplaudern. Er hatte ein paar Tage nach unserem letzten Gespräch einen schweren Schlaganfall und kriegt kein Wort mehr raus.«
22
Ich sitze mit Paula in der Küche. Es ist Spätnachmittag und wir warten. Wir warten schon den ganzen Tag. Die anderen sind ausgezogen, um nach Fleischmann, dem Zugang oder auch beidem Ausschau zu halten. Noch wissen die Plutonier nicht, worum es wirklich geht. Leo erzählte ihnen nur das Nötigste und niemand stellte unbequeme Fragen. Nur Flavio versuchte, die Leute gegen Akan und ›seine‹ Ausländerinnen aufzubringen. Leo warf ihn kurzerhand raus und fragte, wer noch gehen will. Nach der Versammlung kam er zu uns und erzählte alles, was sich zugetragen hatte.
Paula raucht eine nach der anderen und humpelt unruhig auf und ab. Durch die Behinderung wirkt sie wie eine Gazelle, die einen Teil ihres Lebens im Zoo verbracht hat. Man denkt, sie wartet nur darauf, endlich frei zu kommen, aber gleichzeitig fragt man sich, wie sie den Überlebenskampf in freier Wildbahn bestehen will.
Um Paula abzulenken, erkläre ich ihr meine Theorie über den Zugang zur Höhle und die begrenzten Möglichkeiten dicker Männer. Dann hören wir Stimmen im Hof. Paula geht langsam den Flur hinunter und als ich aus der Küche spähe, liegt sie schon in Akans Armen. Ich denke kurz an Max, aber er ist zur Nebensache geworden und ich vergesse ihn sofort wieder.
So, wie Paula sich gesorgt hat, hätte Akan in Lebensgefahr schweben müssen, doch er durchwachte nur eine kalte, ansonsten aber langweilige Nacht. Das Lager blieb verlassen und er musste mit sich kämpfen, um nicht in den zurückgelassenen Schlafsack zu kriechen. Doch er blieb eisern, bis schließlich halb Pluton den Pass herunterkam. Dann suchten sie nochmals alles ab. Vergeblich und auch von Fleischmann fehlt jede Spur.
Akan ist müde. Paula bringt ihn zu Bett, kommt aber nach wenigen Minuten zurück. Zum ersten Mal interessiert sie sich für etwas anderes als Akan und als dann auch noch Leo kommt, ist sie ganz bei der Sache.
»Nun erzähl mal«, fordert sie ihn auf, obwohl es ja eigentlich nichts Neues gibt.
»Wir müssen weitersuchen«, gibt er seufzend zurück. »Morgen wissen wir mehr. Außer Flavio machen alle mit, ohne viel zu fragen. Aber was in den gefahren ist, möchte ich gern mal wissen.«
Paula fragt ihn noch ein bisschen aus, ich stelle Brot und Käse auf den Tisch. Dann nehme ich einen neuen Anlauf, meine Theorie des bequemen Zugangs zu erläutern.
»Ludovico war doch sehr dick«, beginne ich.
»Wieso, bist du scharf auf ihn?«, kalauert Leo.
Wie konnte ihm das nur rausrutschen? Der korrekte Umgang mit Frauen ist halt immer noch eine relativ neue Errungenschaft, bei der Polizei war das ganz schlimm. Ein Mann macht eben mal einen Spaß, hieß es immer. Und wenn eine Frau das nicht witzig findet, gilt sie als humorlos. Wenn sie so tut, als hätte sie nichts gehört, erst recht. Die intelligenteren Männer bevorzugen jedoch eine schlagfertige Antwort. Eine Antwort, die ihnen zeigt: Die Frau kann es in puncto Unverschämtheit mit ihnen aufnehmen. Es ist ein Test. Wenn die Frau ihn besteht, hat sie sich Respekt verschafft. Andernfalls wird sie nicht mehr ernst genommen.
»Ja«, gebe ich zurück. »Ich mag
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