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Sir Darrens Begräbnis - Magie - Engel, Gift, Diebe

Sir Darrens Begräbnis - Magie - Engel, Gift, Diebe

Titel: Sir Darrens Begräbnis - Magie - Engel, Gift, Diebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Clauß
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oder durchzuscheuern, doch Phil hatte damit ganze Arbeit geleistet.
    Die Männer schliefen mit halb geöffneten Augen, nicht auf ihren primitiven Schlafstätten, sondern auf der nackten Erde im Freien wie er selbst. Er dachte allen Ernstes darüber nach, wie er sie töten konnte, doch als ihm nichts einfiel, was er mit gefesselten Händen und ohne sie zu alarmieren hätte bewerkstelligen können, war er regelrecht erleichtert darüber. Vermutlich wäre es praktikabel gewesen, ihnen die Kehlen durchzubeißen, aber so weit wollte er nicht sinken. Also versuchte er es mit Flucht. Zunächst dachte er, auch dieses Unterfangen wäre aussichtslos. Einen gefesselten Körper, in dem jeder Knochen und jede Sehne ununterbrochen ouch schrie, einen Hang hinaufzubewegen, einen Fingerbreit und dann noch einen, das kostete nicht nur Zeit, das kostete vor allem Kraft, die der ausgemergelte Leib, der seit Monaten mehr Energie verbrauchte als ihm zugeführt wurde, kaum aufbringen konnte. Aber dann – die vier Digger schliefen noch immer – war das steilste Stück geschafft, und es ging eine Strecke beinahe flach weiter. Je weiter sich Darren von Rich Stone Valley entfernte, desto optimistischer wurde er, allerdings nur im Hinblick auf sein persönliches Schicksal. Was das Los dieser vier sabbernden Herrschaften anging, sah er ebenso schwarz wie für das der Indianersiedlung.
    Er schrammte sich an einem scharfkantigen Felsenstück den Unterarm auf, dass das Blut nur so strömte. Einen schöneren Anblick als seinen roten Saft auf dem Stein hätte es gar nicht geben können! Dieses offenbar frisch gesplitterte Felsenstück würde auch seine Fesseln durchtrennen. Es dauerte und es schmerzte, aber es funktionierte! Als die Handfesseln durchgescheuert waren, war es ein Leichtes, auch die Füße freizubekommen und den Knebel loszuwerden.
    Noch vor wenigen Minuten hatten seine Gedanken nur um Flucht gekreist, doch nun erfüllte ihn ein Mut, wie er ihn lange nicht gekannt hatte. Er kehrte zur Hütte zurück, packte das Gold, die Waffen und einige nützliche und nicht zu schwere Werkzeuge in einen Sack, den er sich über die Schulter warf. Als Cassel von den Geräuschen erwachte, ein geifernder, irr blickender Cassel, der im Grunde nicht sehr viel weniger Mensch war als zuvor, richtete Darren ein Gewehr auf ihn, und der Weißhaarige ließ ihn unbehelligt abziehen.
    Langsam, mit vielen Pausen und vielen Blicken zurück, schleppte Darren sich und sein Gepäck zum Fluss hinunter. Der Indianersiedlung wich er aus. Er hatte bereits genügend schockierende Szenerien zu verdauen. Es mochte kaltherzig sein, aber er wollte das Elend der Pockenkranken nicht sehen.
    Auf seinem Weg schien es ihm, als kreuzten erstaunlich viele Spinnen seinen Weg. Sie schienen Kurs auf das Indianerdorf zu nehmen. Vielleicht waren sie tatsächlich im Begriff, seine Botschaft zu überbringen, seinen Ruf um Hilfe. Aber es waren nur Spinnen. Sie würde zu spät kommen, und wenn sie das Dorf erreichten, würden sie nicht sprechen und nichts tun können als ihre perfekten Netze zu spinnen.

    ENDE DER EPISODE

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Nr. 37 -

Magie

1
    In einem dieser Heime sitzt ein Mann, der nichts besitzt als ein kleines Papierbild von Jesus Christus. Doch nicht einmal das Bild ist echt. Jesu Bart, lange Haare und dichte Augenbrauen sind mit Kugelschreiber ungeschickt und hastig auf irgendein Foto eines anderen Menschen gemalt.
    Das ist alles, was er hat.

2
    Melanie saß gebeugt über einem der Standardwerke zum Thema Traumdeutung, die Ellbogen auf dem Tisch, die Hände in die Haare gekrallt. Neben das Buch hatte sie einen ganzen Stapel Blätter gelegt, doch die Notizen in ihrer Platz beanspruchenden, impulsiven Handschrift füllten gerade einmal eine halbe Seite.
    Die Bibliothek war heute schlecht besucht. Traude Gunkel sah die Regale durch und gab immer wieder abwertende, missmutige Laute von sich. Vermutlich war die ältliche, matronenhafte Dozentin der Grund, warum nicht mehr Studenten anwesend waren. In ihrer Gegenwart hatten empfindsame Naturen stets das Gefühl, etwas falsch zu machen, auch wenn sie nur atmeten.
    Aus dem Computerraum drangen einsame Tippgeräusche und das Surren eines Druckers. Irgendjemand befand sich dort, recherchierte vielleicht im Netz oder schrieb einen Aufsatz. Dieser Vorraum der Bibliothek war relativ sicher – Miestraud die Dunkle, wie die Studenten sie mittlerweile hinter vorgehaltener Hand nannten, schoss normalerweise blitzgleich durch den

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