Sir Darrens Begräbnis - Magie - Engel, Gift, Diebe
Mann mehr zum Fragen hatte. Ihre Worte kamen ihr deshalb auf einmal grausam vor.
„So was kann ich selber entscheiden“, ließ Frau Kapf sich vernehmen. Es war nicht klar, ob sie es sagte, um Frau Salensky zu beruhigen oder um ihr eins auszuwischen. Sie war die Erste, die sich von den Plakaten abwandte und ohne einen Gruß wieder in ihrer Wohnung verschwand. Sie hatte noch eine Suppe auf dem Feuer. Es war gut, eine Suppe auf dem Feuer zu haben.
Die Tür schloss nicht mehr richtig, und so musste sie sie fünfmal zuschlagen, bevor das Schloss endlich einrastete. Irgendwie verlieh dies ihrem Abgang etwas Ärmliches und hob den selbstbewussten Klang ihrer Worte wieder auf.
Frau Tritschler zuckte die dürren Schultern und begann wieder den Besen zu schwingen. Hin und her kehrte sie den Straßenstaub, hin und her …
4
Auf der Westseite des Parks, den Werner hinter dem Schloss angelegt hatte, standen einige Apfelbäume. Es war Anfang Oktober, und die rotbackigen Früchte hatten längst zu fallen begonnen. Werner hatte mehrere Körbe, eine Leiter und einen Apfelbrecher mit einer langen Stange bereitgelegt. Irgendwie wunderte es Melanie nicht, dass er mit dem Baum begann, der am weitesten vom Haus entfernt stand. Was immer sie hier redeten – es würde unmöglich sein, sie zu belauschen.
Werner platzierte die Leiter an dem Baum mit den prächtigen Jonathan-Äpfeln. „Wenn du die pflückst, die du vom Boden aus erreichen kannst, kümmere ich mich um die höheren Stockwerke“, meinte er, und sie nahm sich einen Korb und begann. Offenbar wollte er nicht mit der Sprache herausrücken, solange sie nicht zu arbeiten angefangen hatten. „Vorsichtig hineinlegen“, mahnte Werner und sah ihr eine Weile zu, ehe er auf die Leiter stieg. Er selbst hatte sich einen kleineren Korb mit einem Seil um die Hüfte gebunden, damit er beide Hände freihatte.
Erst nach einigen Minuten sagte er: „Ich muss mit dir reden, Melanie.“
„Okay“, erwiderte sie nur.
„Es geht um das, was dir damals passiert ist, bei deinem Unfall. Du weißt schon, der … Besuch deiner Seele auf Falkengrund, oder wie man das auch immer nennen mag.“
Eine schöne Formulierung. Sie gefiel ihr. „Du weißt etwas darüber?“
Er holte tief Luft. „Ich fürchte, ich weiß fast alles darüber.“
Die Studentin, die sich eben nach einem Apfel gestreckt hatte, ließ den Arm wieder sinken und wandte sich ihm zu. „Was?“
„Ich habe wichtige Informationen zurückgehalten. Sie erklären vermutlich, was damals geschehen ist. Zumindest teilweise.“ Seine Stirn legte sich in tiefe Falten.
„Aber warum … hast du …?“
„Sei mir bitte nicht böse.“ Er unterbrach seine Arbeit nicht, sondern drehte weiterhin behutsam Äpfel am Stiel herum, bis sie ihm in die Hände fielen. Es schien, als brauche er die Tätigkeit, um sich zu konzentrieren … oder um sich zu überwinden, etwas auszusprechen, was ihm schon lange auf dem Herzen lag.
„Ich bin dir nicht böse“, versicherte Melanie. „Ich verstehe nur nicht, warum du so lange gewartet hast.“ Sie kam an seine Leiter heran.
„Ich habe ein Versprechen gegeben, niemandem davon zu erzählen. Es ist mir nicht leicht gefallen, mich daran zu halten – vor allem neulich nicht, als man dich vor allen verhören wollte. Heute breche ich mein Versprechen.“
„Wem musstest du versprechen zu schweigen?“
„Sir Darren. – Aber nun, wo er nicht mehr da ist … wo wir nicht einmal wissen, ob er noch lebt …“
Melanie hatte ein merkwürdiges Gefühl in der Magengegend. „Was für ein Geheimnis ist das?“
Werner sah zum Schloss hinüber. „Du solltest weiterarbeiten. Falls uns jemand zusieht, muss er nicht unbedingt wissen, dass wir hier sind, um Gespräche zu führen.“
Melanie begann wieder Äpfel zu pflücken, gemächlich, um nicht zu schnell fertig zu werden.
„Ich muss ein wenig ausholen“, meinte Werner. „Was weißt du über die Geschichte von Schloss Falkengrund?“
Die Studentin zuckte die Schultern. „Nicht viel. Es war ein Jagdschloss für die Familie von Adlerbrunn, bis etwas Furchtbares geschah. Seither spukt Baron Lorenz in dem Gemäuer, richtig? Anfang des 20. Jahrhunderts war es wohl von ein paar Leuten bewohnt, die eine Schule des Okkulten einrichten wollten. Später muss das Schloss wieder leergestanden haben.“
„Korrekt. Ein Kaufmann namens Samuel Rosenberg hat Falkengrund für den Illusionisten Konrad Winkheim erworben, und die Schule bestand daraufhin ein paar
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