Sir Darrens Begräbnis - Magie - Engel, Gift, Diebe
gesehen. Nein.“
„Wo warst du heute Nacht?“
Die schwarze Riesenkatze näherte sich ihr, streifte an ihren Beinen entlang, als könnte sie kein Wässerchen trüben. „Hier und da“, lautete die Antwort.
„Du bist uns eine große Hilfe.“
„Ich bin nicht hier, um euch eine Hilfe zu sein.“
Jaque erschauderte ein wenig, als er weiter um sie herum schnurrte wie ein zahmes Kätzchen.
Da sagte jemand: „Bestimmt wurden sie entführt.“
Die Blicke aller wanderten durch den Raum, bis sie die Gestalt ausmachte, die, in eine lange schwarze Kutte gehüllt, an der Wand zu lehnen schien. Man hätte sie für eine Malerei halten können, so unbeweglich stand sie dort. Jaque hatte sie nicht kommen hören. Selbst Felinep wirkte überrascht. Die Person, die die Worte gesprochen hatte, war Mad Kao, die Frau, die sie in Ermangelung eines treffenderen Ausdrucks eine Nonne nannten. Sie wussten nicht, ob ihre Anspruchslosigkeit, ihr Schweigen, ihr ernstes Wesen und ihre Kleidung tatsächlich einen religiösen Hintergrund hatten. Ihre Stimme hörten sie so selten, dass sie ihnen fremd war.
Sabel trat auf sie zu. Alle hielten den Atem an, als die Spitze ihres Säbels ein Stück unter die Kapuze glitt und sie der Trägerin vom Kopf zog. Mad Kaos gleichmütiges, wie träumendes Gesicht schien einer Toten zu gehören. Sie hatte den Kopf leicht gesenkt und starrte den Boden an.
„Bei den Göttern des Orients“, flüsterte Sunray und machte eine schlangengleiche Bewegung mit den Armen.
Jaque wusste, was sie so erschreckte. Es sah in der Tat so aus, als lehne dort eine Leiche an der Wand, und Sabels Klinge brauche sie nur anzustoßen, damit sie umkippte. Mad Kao wirkte heute noch jenseitiger als gewöhnlich. Ihre Hände waren wie meist unter der weiten Kutte verborgen.
„Hast du einen Grund für die Annahme, sie könnten entführt worden sein?“, fragte Jaque und kämpfte gegen das Gefühl an, mit einer Toten zu sprechen.
Mad Kao hob langsam den Kopf. „Es liegt auf der Hand“, sagte sie in ihrer behäbigen Art, die nervöse Zeitgenossen auf die Palme bringen konnte. „Sie sind der Schatz dieser Schule. Auf Valkynguur gibt es nichts, was ihrem Wert gleichkommt.“
„Du hast also nichts gesehen?“
„Ich habe nichts gesehen.“
Jaque musste Mad Kao Recht geben. Sie hatten es noch nie mit Dieben zu tun gehabt, so lange sie zurückdenken konnte – vielleicht deshalb, weil die Festung und Schule mit Leuten wie Sabel, Felinep und Schorge gefährliche Wächter aufwies. Vielleicht aber auch nur, weil es nichts zu holen gab. Auf Valkynguur lagen keine Reichtümer verborgen. Das Leben hier war schlicht. Doch ihre Lehrer waren Meister auf ihrem Gebiet, beschlagen in Magie, Geisterbeschwörung und vielen anderen Disziplinen.
„Wenn jemand sie gewaltsam entführt hätte, wären Kampfgeräusche zu hören gewesen“, warf Sabel ein. Sie bewohnte eine Kammer mit Mad Kao, doch mit Sympathie hatte das nichts zu tun. Ihnen allen waren die Räume zugeteilt worden. Sie hatten sich ihre Zimmergenossen nicht aussuchen können, und das war vermutlich gut so, denn wäre es nach ihren Willen gegangen, hätte jeder eine einzelne Kammer beansprucht – echte Freundschaften gab es auf Valkynguur keine. Wie sollte ein verhinderter Hofnarr mit einem griesgrämigen Panthermann Freundschaft schließen, oder ein Ritter mit einem Ogr?
„Sie haben Wollhauben über ihre Schwerter gestülpt, um niemanden zu wecken“, schlug Barabald vor, der sich daran gewöhnt zu haben schien, dass Schorge ihn in die Höhe hielt. Mittlerweile vertrieb er sich die Zeit damit, mit blauer Kreide nackte Mädchen an die Decke zu malen.
„Ich glaube nicht, dass ihre Entführer die Festung betreten haben“, pflichtete Jaque Sabel bei. „Sie könnten sie höchstens hinausgelockt haben.“
Arthuris zog eine skeptische Miene. „Wie soll das vonstattengegangen sein?“
„Ganz einfach“, warf Barabald ein. „Die Entführer haben sich unter ihr Fenster gestellt und gerufen: ‚Hey, Leute, schaut mal, was wir hier draußen für euch haben!’ Und da sind unsere Pauker neugierig geworden und rausge… Au!“ Schorge hatte seine erhobene Hand mit einem von Barabalds Beinen darin noch ein wenig weiter ausgestreckt, und der Clown hatte feststellen müssen, dass die Decke durch die vielen weichen Formen, die er darauf gezeichnet hatte, nichts von ihrer Härte eingebüßt hatte.
„Es kommt nur ein Zauber in Frage“, behauptete Jaque. „Ein magischer Zwang, dem
Weitere Kostenlose Bücher