Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Skagboys 01

Skagboys 01

Titel: Skagboys 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Irvine Welsh
Vom Netzwerk:
Mädchen zusammen ist. Doch irgendwann wird der Tag kommen, an dem das alles keine beschissene Rolle mehr spielt! Spätestens wenn wir alle kaffeebraune Haut mit einem leichten Gelbstich drin haben, denkt keiner mehr drüber nach. Bis dahin müssen wir aber noch eine Menge Leid und Unglück ertragen.

Schlechte Zirkulation
    G ott sei Dank ist die kleine Maria sicher bei ihrem Onkel Murray in Nottingham angekommen. Als ich vor ein paar Wochen von der Arbeit nach Hause ging, lief sie mir bei den Bridges über den Weg. Sie hat die Passanten angebettelt und sah einfach schrecklich aus. Ich hab sie mit zu Johnnys Wohnung genommen. Als wir die Treppe hochgehen wollten, ist sie ausgeflippt, meinte, sie wäre schon mal dort gewesen und hätte Angst, mit reinzugehen. Also bin ich allein hoch und hab ihr ein bisschen Stoff besorgt. Dann hab ich mir die Nummer von ihrem Onkel geben lassen und ihn angerufen.
    Abends sind wir zu mir nach Hause, und ich hab sie auf der Couch schlafen lassen, obwohl ich eine Heidenangst hatte, dass sie mich in der Nacht ausrauben würde. Am nächsten Tag sind wir zum Busbahnhof St. Andrew’s Square gegangen. Dort hab ich ihr ein Ticket für den National Express nach Nottingham gekauft und bin erst gegangen, als der Bus abgefahren war. Den Tag drauf rief ich ihren Onkel Murray an, um sicherzugehen, dass sie auch gut angekommen war. Er meinte, dass er sich bereits nach einem Therapieplatz für Maria erkundigt hätte. Murray ließ kein gutes Haar an Simon und gab ihm die Schuld dafür, dass Maria auf Skag war. Ich hatte aber wenig Lust, darüber zu diskutieren. Manchmal projizieren Leute ihren familieninternen Scheiß einfach auf Personen, die nichts damit zu tun haben. Immerhin war Onkel Murray aber so nett, mir einen Scheck für das Busticket zu schicken.
    Eigentlich hab ich überhaupt keine Lust, nach der Arbeit noch mal das Haus zu verlassen. Alexander hat sich heute den ganzen Tag über ziemlich eigenartig verhalten. Wahrscheinlich, weil ich mich nicht so oft mit ihm treffe – außerhalb des Büros, versteht sich –, wie er es gerne hätte. Manchmal bekomme ich mit, wie er mich anschaut, mit seinen traurigen Kulleraugen und diesem erwartungsvollen Blick. Dann sieht er aus wie ein winselnder Hund mit einer Leine im Maul. Ich mag ihn, aber im Moment ist mir das ganze Theater echt zu viel, und das ist noch milde ausgedrückt.
    Die Straßen der Stadt sind kalt und verdreckt: Es hat getaut, und der geschmolzene Schnee hat die City in einen gigantischen Aschenbecher voller Zigarettenkippen, Dreck, Streusand und Hundescheiße verwandelt. Erst wollte ich den geplanten Krankenhausbesuch bei meiner Mutter ausfallen lassen, aber dann hat mein Dad einen Spruch auf meinem Anrufbeantworter hinterlassen: Ich sollte schnellstmöglich zum Krankenhaus kommen. Er meinte, dass er auch Mhairi und Calum Bescheid gesagt hätte. Sein Ton hat mir gar nicht gefallen. Nervös ziehe ich mich um und mach mich auf den Weg.
    Als ich auf der Station ankomme, scheint meine Mutter in ihrem Bett zu versinken. Mit all den Bandagen sieht sie aus wie ihre eigene mumifizierte Leiche, die nicht in einem Krankenhaus, sondern in einem ägyptischen Grab liegen sollte. Ich will gerade etwas sagen, als ich geschockt feststelle: Das ist gar nicht meine Ma! Ich bin im falschen Zimmer gelandet. Verwirrt trotte ich den Gang runter zum nächsten, wo meine Mutter liegt und eigentlich ganz genauso aussieht wie die arme Sau nebenan. Sie wirkt wie ein Luftballon, aus dem langsam die Luft entweicht. Die Masse ihres Körpers sickert nach und nach in die Matratze hinein. Mein Dad steht neben dem Bett. Seine dünnen Schultern zittern, und er hat Mühe, seine Atmung zu kontrollieren. Er ist blass, und sein dünner Schnurrbart sieht katastrophal aus, da er auf der einen Seite fast vollständig abrasiert ist. Ich nicke ihm zu und beuge mich über meine Mutter. Ihre Augen wirken leblos und glasig, wie die meines alten Teddybären. Mit leerem Blick starrt sie an die Zimmerdecke. Was von ihr noch übrig ist, hat man derart mit Morphin vollgepumpt, dass sie mich nicht mal erkennt, als ich mich zu ihr herabbeuge und die Pergamenthaut ihrer Wange küsse. Ihr Atem stinkt widerlich. Sie verrottet von innen.
    Die Stationsschwester kommt rein und legt ihre Hand auf Dads Schulter. — Sie geht jetzt von uns, Derrick, sagt sie leise.
    Er schließt seine Hand noch fester um die mageren Finger meiner Mutter und fleht sie an: — Nein … nein … Susan … nein …

Weitere Kostenlose Bücher