Skagboys 01

Mitbewerber wenigstens den Hauch einer Chance …

Dirty Dicks
    M eine Faust bringt den piependen Wecker-Bastard über meinem Kopf zum Schweigen. Neben mir auf der Matratze liegt Sick Boy. Er hat eine Wollmütze aufm Kopf und schlummert tief und fest. Hat das Klingeln noch nicht mal gehört, der Arsch. Der Geschmack in meinem Mund ist so übel, dass ich mir vorkomme, als hätte ich Si die ganze Nacht über Rim-Jobs besorgt. Als ich aufstehe, merk ich, dass es in der Bude arschkalt ist. Ich komm mir vor wie in einem verdammten Kühlschrank. Ich streif mir Pullover, Trainingshose und Socken über und werfe einen Blick aus dem Fenster nach Osten: Die Sonne kommt gerade raus, und ich kann das Schwimmbecken vom London Fields Lido sehen. Wünschte, es wär Sommer, verdammt. Der Anblick eines Freibads im Winter ist die reinste Folter. Heute ist der erste Weihnachtsfeiertag, und ich sitz fern der Heimat hier unten in London, weil ich beschlossen hab, erst zu Silvester hochzufahren. Ich geh in die Küche, um Heizung und Warmwasser aufzudrehen.
    Ich bin etwas überrascht, dass Nicksy schon wach is, er sitzt im Dunkeln am Küchentisch und raucht Braunes. Auf dem Tisch liegt n offenes Tütchen Speed rum. Auch Kaffee hat er schon gemacht. — Du schießt dich schon weg, Alter? Wir haben doch heute Nachmittag dieses Vorstellungsgespräch, oder?
    — Yeah … is aber noch massig Zeit. Konnte nich schlafen, erklärt er und hält mir die Skagpfeife hin, während er sich eine Prise Speed genehmigt.
    Ich betrachte das kakaobraune Pulver auf der verbrannten Alufolie. Wäre bescheuert, die Einladung abzulehnen. Also halt ich das Feuerzeug unter die Folie und lass die Flamme ihre Arbeit verrichten. Als ich das zerknitterte Pfeifenröhrchen an meine aufgeplatzten Lippen führe und dran sauge, fühle ich, wie sich meine Lunge mit Rauch füllt und die metallischen Partikel an meinen Bronchien kratzen. Sofort wird mein Kopf leichter, und die Anspannung verlässt meinen Körper.
    Either up your nose or through your vein,
    With nothin to gain except killing your brain
    Sweet home Leith Alhambra … Ich lehne mich gegen die Wand und könnte direkt wieder zurück ins Bett kriechen. Stattdessen nehm ich auch eine Prise von dem salzigen Speed. Dann noch eine. Nach zehn Minuten kickt es endlich. Ich fühl mich wie ne zugedröhnte Marionette, deren Gliedmaßen von einem manischen Puppenspieler in alle Richtungen gleichzeitig gezerrt werden. Meine Fingernägel bohren sich in die Resopalschicht an der Tischkante. — Also hat uns dieser Typ … der Typ hat uns auf den Fähren untergebracht, oder wie?
    — Tony hat das Vorstellungsgespräch für uns klargemacht, sagt Nicksy. — Wir müssen uns aber selbst reinhängen, um den Job zu kriegen. Wenn wir es schaffen, können wir auf dem Rückweg Dope mitbringen. Für die Angestellten sind die Zollkontrollen nämlich ziemlich lasch. Außerdem hat Tony Leute beim Zoll, die mit von der Partie sind.
    — Hört sich ziemlich geil an, gebe ich zu.
    — Wir müssen uns aber zusammenreißen, sonst geht die ganze Sache in die Hose.
    — Leichter gesagt als getan, sag ich, nicke in Richtung der Folie und nehme noch eine Fingerspitze von dem ätzenden Zeug. — Igitt … Zeit für Kaffee.
    — Yeah, wir müssen echt entschlossen sein und uns zusammenreißen. Nicksy ist jetzt voll im Speed-Modus und fuchtelt mit den Händen in der Luft herum. — Heutzutage steht jeder unter Druck und muss zusehen, wie er mit dem Arsch an die Wand kommt, Mann. Das Geheimnis is, in Bewegung zu bleiben, verstehste?! Verfang dich bloß nich in ihren Netzen, Mann, sonst biste geliefert. Alles is temporär, verstehste?! Brauchst keinen Job auf Lebenszeit mehr erwarten, auch ne Bude haste nicht ewig und ne Perle schon gar nich …
    — Das hab ich neulich erst zu Sick Boy gesagt: Unter diesen Umständen isses echt ne ehrbare Angelegenheit, Vater Staat abzuziehen. Is praktisch n Muss, wenn du n bisschen was in der Birne hast. Ich schaue Nicksy an. — Ich meine, wir gehen doch heute auch nur wegen der Linkereien zu diesem Vorstellungsgespräch, oder?
    Ein lautes, kehliges Lachen bricht aus ihm hervor. — Ich bescheiß den Staat genauso gern wie alle andern in diesem Land, aber ihr Schottenröcke spielt echt in einer anderen Liga. Ihr tut gerade so, als wäre es euer angeborenes Recht, die Ämter abzuziehen.
    Nicksy muss sich gerade melden! Seitdem ich hier unten bin, ziehe ich eine Unmenge mehr Linkereien in Sachen Stütze und Wohngeld ab